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Luegensommer

Titel: Luegensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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sie erneut kichern müssen. Dann zerrt Jan sie zum Ausgang. Im Weggehen hört sie noch, wie Tommy Franka fragt, wieso sie eigentlich auf Australien angestoßen haben. Der Ärmste.
    Marit wacht auf, weil jemand die Rollläden hochzieht und danach das Fenster öffnet. Draußen singt eine Amsel, eine Frequenz, die ihren Kopfschmerz verstärkt. Sie stellt sich schlafend, lässt die Augen zu. Denn sogar durch die geschlossenen Lider ist es ihr zu hell. Die Schritte ihrer Mutter, ihr Atem auf Marits Stirn, als sie sich über sie beugt.
    »Wie geht es ihr?« Das ist die Stimme ihres Vaters vom Flur her.
    »Sie schläft noch.«
    »Was ist bloß los mit dem Mädchen? Sie betrinkt sich doch sonst nie so ohne Sinn und Verstand. Schon gar nicht, wenn sie mit dem Auto unterwegs ist.«
    »Und da fällt dir wirklich kein einziger Grund ein, Winfried?«, fragt ihre Mutter spöttisch, dann entfernen sich ihre Schritte, und Marit hört, wie die Zimmertür leise geschlossen wird, was deplatziert wirkt, da sie zuvor in normaler Lautstärke miteinander gesprochen haben. Sie hofft, dass ihre Eltern jetzt nicht gleich den nächsten Streit beginnen, nicht auch noch ihretwegen. Ansgars Bitte fällt ihr wieder ein: »Es wäre gut, wenn du irgendwie in der Spur bleiben könntest«, hat er gesagt. Das hat sie wohl gründlich vermasselt.
    Marit blinzelt heftig, unfähig, sich an die Sonnenstrahlen zu gewöhnen, die jeden Winkel ihres Zimmers abtasten. Jemand hat einen Eimer neben ihr Bett gestellt und daneben eine Flasche stilles Wasser. Dieselbe Person muss in der Nacht die Jalousie heruntergelassen und ihr geholfen haben, sich die Klamotten aus- und das Nachthemd anzuziehen. Hoffentlich nicht Jan, sondern ihre Mutter. Oder hat sie all das noch allein auf die Reihe bekommen? Daran erinnern kann sie sich jedenfalls nicht. Null.
    Auf dem Nachttisch liegt eine Packung Aspirin. Marit nimmt gleich zwei auf einmal und spült sie mit reichlich Wasser hinunter. Sogar am Morgen nach dem Abiball war sie in einer besseren Verfassung. Sie schämt sich vor ihren Eltern und, was weitaus schlimmer ist, vor Jan und Ella. Wenigstens ist der Eimer leer geblieben.
    Beim Aufsetzen kommt der Schwindel zurück und mit ihm die Übelkeit. Resigniert lässt Marit sich zurück ins Kissen sinken und sucht nach der Position, in der sich die Nachwirkungen des Alkohols am besten aushalten lassen. Wenn sie flach auf dem Bauch liegt, geht es. Ein willkommenes Gefühl der Gleichgültigkeit packt ihr Bewusstsein in Watte, sie lässt den linken Arm aus dem Bett heraushängen, das Glas der Wasserflasche kühl an ihrem Handgelenk, und rührt sich so lange nicht, bis sie wieder einschläft.
    Als sie erneut wach wird, betritt ihre Mutter gerade den Raum. Sie hält ein Tablett in den Händen und wünscht ihr einen guten Tag. Ein dampfender Teller. Ein Glas Orangensaft.
    »Du musst etwas essen. Und dann in die Gänge kommen, sonst ziehst du das ganze Elend nur unnötig in die Länge. Der Alkohol muss raus aus dem Körper«, sagt ihre Mutter ebenso sachlich wie bestimmt.
    Marit ist viel zu erledigt, um zu widersprechen, daher setzt sie sich auf, Rücken gegen die Wand gelehnt, und betrachtet, was der Teller für sie bereithält: Rühreier, Toast und Speck. Sie weiß wirklich nicht, ob sie so etwas Fettiges jetzt hinunterbekommt. »Danke, Mama.«
    »Nichts zu danken. Iss.«
    Ihre Mutter macht keine Anstalten, sich zurückzuziehen, ohne die Ausführung ihres Befehls zu kontrollieren.
    Marit nimmt die Gabel, fischt einen gelben Brocken Ei aus einer Pfütze geschmolzenen Butterschmalzes und schiebt ihn sich in den Mund, bevor ihr Magen rebellieren kann. Sie wüsste wirklich gern, wie sie ins Bett gekommen ist, doch das Letzte, was sie aus ihrem Gedächtnis abrufen kann, ist die Härte, mit der Jan sie zum Auto bugsiert hat, während hinter ihnen auf der Leinwand die letzten Vampire in der Bar zu Staub zerfielen. Es ist, als könne sie seinen Griff noch immer auf ihrem Oberarm spüren, wie einen Makel.
    »Du hast wirklich einen lieben Freund«, sagt ihre Mutter und verstärkt damit unbewusst Marits Unbehagen. Obgleich sie sich sagt, dass die Schuld bei ihr liegt – sie hat sich betrunken, sie war eine Zumutung, nicht Jan –, nimmt sie ihm sein Verhalten übel. Verstohlen überprüft sie ihren Oberarm: keine Rötung, kein blauer Fleck, nichts. Vielleicht ist sie zu empfindlich.
    »Ja, er ist nett«, sagt Marit.
    »Wie? Nur nett?«, fragt ihre Mutter mit hochgezogenen

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