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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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hast nicht den
Eindruck erweckt, dich brennend für die Sache zu interessieren. Im Gegensatz zu
mir. Immerhin geht es um den Nationalpark. Und außerdem – was hätte das
gebracht? Was hättest du denn ändern können?«
    »Ich hätte selber
entscheiden können, was ich für wichtig halte und was ich mache. Wie ich es
seit vielen Jahren gewohnt bin. Ich brauche niemanden, der für mich denkt.«
    Steffens Kiefer
mahlten. »Ach, nicht?«, brüllte er los. »Dafür machst du es dir aber gerne
bequem und hast keine Probleme damit, dich mal hier, mal da einzunisten, wie
und wann es dir gerade passt.« Er wandte sich von mir ab und ging zum Fenster.
»Da ist von Entscheidungen und Selberdenken nicht viel zu merken«, sagte er,
ohne mich anzusehen. »Steffen ist ja da. Steffen ist ja immer da, wenn Madame
Ina danach ist.« Er schlug mit der flachen Hand gegen die Wand neben dem
Küchenfenster. »Ach Scheiße, Ina. Werd erwachsen.«
    Er drehte sich um,
war mit wenigen Schritten durch die Tür und aus der Wohnung. Wenige Sekunden
später hörte ich seine Wagentür zuschlagen und den Motor aufheulen.
    »Ina?« Henrike riss
mich aus meinen Gedanken. Mit verschlafenem Gesicht und zerknautschtem T-Shirt
war sie in der Küche erschienen. »Hast du was von Mama gehört?«
    Ich schüttelte den
Kopf, griff nach meiner Handtasche, die seitlich an einem der Küchenstühle hing
und nahm mein Handy heraus, um es auf verpasste Anrufe zu überprüfen.
    »Nein. Sie hat sich
nicht gemeldet.«
    Henrike ließ die
Schultern hängen und senkte den Kopf. Trotz ihrer fast eins siebzig wirkte sie
jetzt wieder wie ein kleines Mädchen. Ich trat einen Schritt auf sie zu und
wollte sie in den Arm nehmen und trösten. Im gleichen Moment richtete sie sich
auf und warf mit einer abrupten Handbewegung ihr Haar in den Rücken.
    »Über was für eine
Mail von Mama hast du dann eben mit Steffen gesprochen?«, fragte sie, und ihr
Ton klang beinahe sachlich. Distanz als Schutzwall.
    »Hast du unseren
Streit mitbekommen?«
    »Ihr wart ja laut
genug.« Sie grinste. »Sogar die Möbelpacker haben ihre Kommentare dazu
abgegeben.« Wie zur Bestätigung klirrte irgendwo in der Wohnung Glas, gefolgt
von einem lauten Fluch.
    Ich stöhnte und
schloss die Küchentür. »Deine Mutter hat Leute für die Demo gestern
mobilisieren wollen, in ihrem Internet-Netzwerk und mit Mails an ihre Freunde.«
Ich ging zum Tisch, nahm die Papiere an mich und steckte sie wieder in den
Briefumschlag. »Sie hat Steffen eine Mail geschickt, und er hat mir nichts
davon gesagt.«
    »Hat das etwas mit
ihrem Verschwinden zu tun?«
    »Ich weiß es nicht,
Henrike. Erst mal hat es etwas mit dem Streit zwischen mir und Steffen zu tun.
Er hätte mir von der Mail und dem Aufruf zur Demo erzählen sollen.«
    »Hat Mama dir keine
Nachricht geschickt?«
    »Nein.«
    »Vielleicht hatte
sie keine Lust auf noch einen Streit. Immerhin bist du Polizistin.«
    »Ich hatte keinen
Streit mit Andrea.«
    »Nein. Mit dir hat
sie nicht gestritten. Das weiß ich. Aber mit Birgit.«
    »Wegen der Demo?«
    »Sie haben
telefoniert, und Mama hat furchtbar rumgeschrien.«
    »Wann war das?«
    Henrike schaute zur
Decke, als ob sie dort die Antwort finden könnte. »Weiß nicht genau. Irgendwann
am Samstag.«
    »Und du bist sicher,
dass es Birgit war, mit der sie gesprochen hat.«
    »Ja. Birgit hat bei
uns angerufen, und ich bin drangegangen.«
    »Worum ging es?«
    »Ich weiß es nicht
genau. Ich bin in mein Zimmer und hab Musik angemacht.« Henrike ging zum
Kühlschrank, öffnete ihn und nahm die Apfelsaftpackung heraus. »Darf ich?«,
fragte sie und drehte den Verschluss ab. »Ich habe Hunger.«
    »Sicher. Nimm dir
ein Glas.« Ich nickte und zeigte auf den Schrank. »Was hast du denn von dem
Streit mitbekommen?«
    »Mama war nur
furchtbar böse auf Birgit, weil die wieder irgendwas von ihr wollte. Das ist ja
nichts Neues.« Henrike setzte die Verpackung an den Mund und trank. »Vielleicht
ging es ja auch gar nicht um die Demo.«
    Ich stand auf, nahm
ein Glas aus dem Schrank und stellte es vor sie auf den Tisch. »Hier. Bitte.«
    »Danke. Hast du noch
ein Brot für mich?« Es schien, als ob das Häuflein Elend, das heute Nacht vor
meiner und Hermanns Tür gestanden hatte, verschwunden war, aber schon Henrikes
Reaktion auf meine nächste Frage zeigte mir, dass dem nicht so war.
    »Was machen wir mit
der Schule? Soll ich dich hinbringen?«
    Stumm schüttelte sie
den Kopf und tastete mit dem Finger nach einer Haarsträhne, die

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