Luftkurmord
in meinen Kopf aus. Ich hatte
das Gefühl, die Farbe eines Krebses anzunehmen, den man in heißes Wasser geworfen
hatte und langsam gar kochte.
»Hier.« Steffen
zeigte auf eines der Dokumente, ohne auf meine Schnappatmung zu achten. »Die
Baugenehmigung. Mit Datum von Freitag.«
Ich wischte mit dem
Ärmel den Schweiß von meiner Stirn. Langsam ließ die Hitze nach, und ich konnte
wieder klar denken. Verflucht. Eine Grippe konnte ich nicht gebrauchen. Ich
konzentrierte mich auf den Text vor mir und ignorierte das Gefühl von
Schwindel. Viel deutlicher noch als das Datum oder der Inhalt des Schreibens
sprang mir die Unterschrift ganz unten auf der Seite ins Auge. R. Brinke.
Buchstaben mit vertrautem Schwung, wie ich sie gestern noch auf anderen
Schriftproben gesehen hatte. Reginas Unterschrift.
»Das sind, wie es
scheint, Kopien der kompletten Akte zum Bauantrag.« Steffen breitete den Packen
Blätter fächerartig auf dem Tisch aus. »Gutachten, Bebauungspläne,
Besitznachweise. Aber«, er sah mich an und zeigte auf eine Textpassage, »ich
verstehe nicht, weshalb Regina die Baugenehmigung erteilen konnte. Auf dem
Nationalparkgelände darf nicht gebaut werden. Jedenfalls nicht, soweit ich
weiß.«
Ich tippte auf die
Unterschrift auf der Baugenehmigung. »Ist sie bestochen worden?«
»Von wem?« Steffen
runzelte die Stirn. »Meinst du, ein Bauträger würde das versuchen? Das wäre
doch zu offensichtlich.«
»Es ist aber nun mal
so, dass sie die Genehmigung erteilt hat. Also muss es eine Ausnahmegenehmigung
oder so was geben.« Ich nahm die Papiere auf und suchte nach dem Logo des
Nationalparks. »Hier. Bitte.« Die Kopie war zerknittert, als ob sie mehrfach
gefaltet worden wäre, aber noch lesbar.
»Das kann nicht
sein.« Steffen nahm das Schreiben entgegen. »Die Nationalparkverwaltung erteilt
keine Sonderbaugenehmigung.«
»Anscheinend doch.«
Um kurz nach
acht klingelte es, und ich hörte, wie Hermann zur Wohnungstür ging. Der Öffner
surrte im Hausflur, unten sprang die Tür auf und Schritte polterten die Treppe
herauf.
»Die Männer vom
Umzug sind da.« Hermann kam in die Küche. Er wirkte müde, und ich hatte den
Eindruck, dass das nicht nur an den fehlenden Stunden Schlaf der letzten Nacht
lag. »Was mache ich nun mit dem Kind? Sie schläft immer noch im Wohnzimmer,
aber die Männer müssen das Sofa mitnehmen.«
»Bekommst du neue
Möbel?«, fragte Steffen und legte den Arm über die Rückenlehne seines Stuhls.
»Soll ich mit anpacken?« Er stand auf.
»Nein, nein. Bleib
sitzen. Keine neuen Möbel.« Hermann drehte sich um und ging aus der Küche.
»Er zieht heute ins
Altenheim«, sagte ich, legte die Kopien auf einen Stapel, richtete die
einzelnen Blätter so aus, dass sie exakt aufeinander lagen und platzierte sie
in der Mitte des Tisches.
»Du hast mir nichts
davon gesagt! Ich hätte doch helfen können.« Steffen stand immer noch an der
gleichen Stelle. »Und warum«, fragte er, nachdem er meinen Blick aufgefangen
hatte, löste sich aus seiner Regungslosigkeit und ging zur Küchentür, »geht er
ins Altenheim?«
»Das wüsste ich auch
gerne.« Ich ballte meine Hände zu Fäusten, bis ich das Weiße an meinen Knöcheln
erkennen konnte. Dann streckte ich sie wieder. Ballen. Strecken. Ballen. Ich stand
auf, schob den Stuhl zurück und richtete mich auf. Die Müdigkeit machte mich
aggressiv. »Er hat mir von seinen Plänen nichts erzählt. Mich gestern Abend vor
vollendete Tatsachen gestellt. Wollte mich nicht ›belasten‹, wie er das nannte,
mit seinem Kram.« Etwas kroch meine Kehle hoch und machte sie eng. »Aber da ist
er ja nicht der Einzige, der mir Informationen vorenthält, nicht wahr?« Ballen.
Strecken.
Einer der
Möbelpacker betrat die Küche, sah uns und nickte kurz. Mit zwei Fingern schob
er seine Baseballkappe in den Nacken und taxierte die Lage.
»Kütt os d’r Köch
och jett mit?«, fragte er und drängte sich an Steffen vorbei.
»Nein.« Hermanns
Stimme aus dem Flur beorderte ihn wieder hinaus.
»Ich bin es leid,
dass ihr mich immer vor etwas bewahren wollt. Du genauso wie Hermann. Ich muss
nicht beschützt werden, verdammt!«
»Ich will dich nicht
bewahren, vor was auch immer.« Steffen wurde lauter. »Was soll das?«
»Ach, und warum hast
du mir nichts von Andreas Mail erzählt?«
»Jetzt regt dich
doch nicht wegen einem solchen Mist auf.« Er verschränkte die Arme vor seiner
Brust.
»Das ist kein Mist.
Du hast etwas vor mir verheimlicht, darum geht es.«
»Du
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