Luftkurmord
aber
ich schüttelte den Kopf und lauschte angestrengt, ob ich noch etwas verstehen
konnte.
»… konnte es
nicht zulassen und …«, schälte es sich aus dem Äther.
»Was, Andrea? Was
konntest du nicht zulassen? Wo bist du?«
»… es war nicht
richtig. Regina …«
Es knackte, und dann
war die Leitung tot.
»Sie muss in einem
Funkloch sein«, murmelte ich, bemüht, Henrike meine Unruhe nicht merken zu
lassen, und drückte die Rückruftaste. Nichts geschah. Keine Verbindung. Was das
anging, hasste ich die Eifel.
»Was hat sie gesagt,
Ina? Kommt sie bald nach Hause? Geht es ihr gut? Warum ist sie weg?« Henrike
bestürmte mich mit ihren Fragen.
»Wir werden
versuchen, sie wieder zu erreichen, Henrike. Sie hat sich gemeldet. Das ist
gut.«
»Das heißt, sie
hatte keinen Unfall. Alles ist in Ordnung.« Henrike wirkte erleichtert. Ich
wollte ihre Hoffnung nicht zerstören, obwohl mich der Anruf mehr beunruhigte
als Andreas Schweigen zuvor. Etwas war ganz und gar nicht in Ordnung. Andrea
hatte mir etwas mitteilen, etwas erklären wollen, aber ich konnte mir auf die
wenigen Wortfetzen keinen Reim machen.
Der Kater maunzte
leise, als ich ihn auf die Decke legte und aufstand.
»Ich werde mir jetzt
Reginas Wohnung ansehen. Vielleicht finde ich einen Hinweis, der uns
weiterhelfen kann.«
»Ohne Durchsuchungsbefehl?«
»Es ist kein
Mordfall, Steffen. Die Wohnung ist nicht versiegelt.«
»Ich begleite dich.«
»Warum?«
»Möchtest du nicht,
dass ich mitkomme?«
»Doch. Nein.« Ich
sah auf Henrike und den Kater. Steffen folgte meinem Blick.
»Die brauchen keinen
Babysitter.«
»Wenn du meinst.«
Henrike kam zu mir
und legte eine Hand auf meinen Arm. »Wenn ihr was entdeckt, was uns hilft, Mama
zu finden, ruft mich bitte sofort an.«
Ich nickte,
streichelte kurz über ihre Finger und unterdrückte den Impuls, sie in den Arm
zu nehmen, weil ich Angst hatte, damit die Nähe zu zerstören, die sie gerade
zwischen uns geschaffen hatte.
»Was machst du,
wenn wir etwas finden, was die Forstverwaltung in ein schlechtes Licht stellt?«
Ich sah Steffen nicht an, sondern hielt meinen Blick unverwandt auf die Straße
gerichtet.
»Das entscheide ich,
wenn es so weit ist.« Er machte eine Pause. »Wie kommen wir in die Wohnung?«,
fragte er dann übergangslos. Thema beendet. Vorerst.
***
»Ina! Gut, dass
du da bist. Alfons ist weg!« Hermann stand völlig aufgelöst vor mir. »Und mein
Auto auch! Warum hab ich nur nicht besser aufgepasst? Das ist alles meine
Schuld.«
»Was ist alles deine
Schuld?« Ich legte ihm beide Hände auf die Schultern, drehte ihn sanft in
Richtung der Bank vor dem Haupteingang des Altenheims und bedeutete ihm mit
einem Nicken, sich zu setzen. Ich ließ mich neben ihm auf die Bank fallen und
seufzte. Das fehlte gerade noch. Reginas persönliche Sachen waren bereits
freigegeben worden und hätten Alfons Brinke übergeben werden sollen. Da der
aber gar nicht über den Tod seiner Tochter in Kenntnis gesetzt worden war,
hatte die Wohnheimleitung die Sachen in Verwahrung genommen. Eigentlich hatten
wir nur vorgehabt, den Schlüssel zu Reginas Wohnung zu holen, doch der kleine
Umweg würde nun offenbar etwas länger dauern.
Steffen nahm
ebenfalls Platz. »Was genau ist passiert, Hermann?«, fragte er meinen Vater mit
ruhiger Stimme.
Der lehnte sich
zurück, sah abwechselnd von mir zu Steffen und rang die Hände. »Alfons war mit
mir oben in meiner Wohnung. Ich wollte mit ihm Karten spielen. Das kann er
immer noch sehr gut, und es beruhigt ihn, sagen die Pflegerinnen.« Er zog die
Schultern hoch und ließ sie in einer Geste der Resignation wieder fallen. »Er
wollte dann aber mit einem Mal unbedingt, dass ich ihn nach Hause fahre.«
»Woher wusste er,
dass du ein Auto hast?«, warf Steffen ein.
»Ich habe es ihm
gezeigt, bevor wir in meine Wohnung gegangen sind.«
»Warum?«
»Ach, was weiß ich,
weil ich ein dummer alter Mann bin und dachte, ihn so ablenken zu können.«
»Wovon ablenken?
Fragt er immer noch nach Regina?« Ich runzelte die Stirn.
»Nein.« Hermann
senkte den Kopf. »Aber er weiß nicht, was er tut, und das, was er tut, ist
nicht unbedingt das, was man von einem netten alten Herrn erwartet.«
Ich zog eine Augenbraue
hoch und wartete darauf, dass Hermann fortfuhr. Er räusperte sich.
»Er grapscht und ist
– wie soll ich sagen – enthemmt.« Hermann starrte auf seine Finger. »Er hat
sich Frau Eckholz gegenüber sehr schlecht verhalten.« Er machte eine Pause.
»Und
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