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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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getan werden können!« Hermann rang die Hände und lief vor der
Eingangstür auf und ab, die durch seine Bewegung ständig mit einem leisen
Zischen auf und zu glitt.
    »Jetzt, wo Sie da
sind, Ina, können wir uns auch selbst auf die Suche machen.« Amalie legte
meinem Vater eine Hand auf den Unterarm und strich beruhigend darüber. »Deine
Tochter ist mit dem Auto hier.«
    Hermann sah sie an,
neigte sich ein wenig zu ihr hinüber und legte seine Hand auf ihre. Erstaunt
registrierte ich die Vertrautheit, die sich zwischen den beiden innerhalb der
kurzen Zeit, in der sie sich kannten, ergeben hatte. Amalie wirkte beruhigend
auf Hermann ein, ohne seinen Elan zu bremsen. Und Hermann? Trotz der Sorge um
Alfons Brinke war er so ausgeglichen, wie ich ihn seit Langem nicht mehr erlebt
hatte.
    »Die Kollegen haben
sicher schon alle Stellen überprüft, an denen man ihn zuerst vermuten könnte.«
Ich wandte mich an die Empfangsdame. »Wissen Sie, wo schon überall gesucht
wurde?«
    »Hier auf dem
Gelände und im Haus selbstverständlich. In den Zimmern. Ein Pfleger hat auch in
dem Bereich unterhalb des Altenheimes nachgesehen, dort, wo gerade die
Baustelle am Bach ist.« Sie hob bedauernd die Schultern. »Bisher ohne Erfolg.«
    »Wissen Sie, wo
meine Kollegen ihn suchen wollten? Haben die etwas gesagt?«, fragte ich und
überlegte kurz, selbst auf der Wache anzurufen und um den Stand der Dinge zu
bitten. Aber wenn Hansen erfuhr, dass ich mich, kaum dass er mich aus der einen
Sache rausgekickt hatte, in eine andere einmischte, würde das meine Situation
beim nächsten Dienstgespräch nicht gerade vereinfachen.
    »Sie haben mir nicht
direkt gesagt, wo sie überall hinwollten. Dass sie bei der Wohnung nachsehen
wollten, wissen sie ja schon.« Sie sah mich auffordernd an. Es dauerte einen
Moment, bis ich begriff, dass sie den Schlüssel zu Alfons Brinkes Wohnung
wiederhaben wollte.
    »Dann ziehen sie das
übliche Programm durch«, murmelte ich, legte den Schlüsselbund auf den Tresen
und bedankte mich bei ihr. Sie nickte und verstaute den Schlüssel wieder in der
Schublade »Sie suchen auf allen Wegen, die von hier aus zur Wohnung führen und
bei Freunden. Verwandte hatte Alfons außer Regina ja keine mehr.«
    »Und die Anzahl der
Freunde ist in unserem Alter ja auch überschaubar«, ergänzte Hermann mit
bitterem Unterton und brachte mich damit auf eine Idee.
    »Wir sollten auf dem
Friedhof nachsehen gehen. Vielleicht ist er zum Grab seiner Frau gefahren.«
    »Die Praxen seiner
Ärzte«, warf Amalie ein.
    »Seine
Stammkneipen.« Hermann zuckte mit den Schultern, als Amalie und ich ihn
ansahen. »Was? Er ging nun mal gerne einen trinken. Warum auch nicht?«
    »Gut.« Ich nahm
meinen Autoschlüssel aus der Handtasche. Dann ging ich noch einmal zu der
Empfangsdame, bat um Stift und Papier und notierte meine Handynummer. »Bitte
geben Sie uns Bescheid, sobald sich etwas Neues ergibt.«
    ***
    Der Gemünder
Friedhof lag im Schatten zwischen dem Berg, an dessen Fuß er sich schmiegte,
und der Olef, die ihn an der gegenüberliegenden Seite einfasste. Wir parkten
vor der Friedhofsmauer, öffneten das schmiedeeiserne Tor und wandten uns nach
rechts. Die Totenhalle war geschlossen, aber auf der Bank davor saßen zwei
Besucher in ein Gespräch vertieft. Sie sahen kurz auf, nickten grüßend und
sprachen dann weiter.
    »Pap, weißt du, wo
Reginas Mutter liegt?«
    Hermann nickte.
»Hinten, im alten Teil. Sie haben da ein Familiengrab.«
    Wir gingen über den
Hauptweg. Der Belag knirschte unter meinen Füßen, und ich erinnerte mich an die
Beerdigungen, an denen ich hier teilgenommen hatte. Mir fiel die kühle Frische
wieder auf, die hier auch im Sommer herrschte. Vermutlich lag es an der Nähe
des Baches. Trauer ließ sich besser aushalten, wenn man nicht noch schwitzen
musste. Das war der Gedanke gewesen, der mich bei der Beerdigung meiner Mutter
aufrecht gehalten und von dem bohrenden Schmerz abgelenkt hatte, so absurd es
mir heute auch erschien.
    »Am besten ist es,
wenn wir uns aufteilen«, sagte ich, blieb stehen und konzentrierte mich wieder
auf die Situation. »Es kann ja sein, dass er vor einem der Gräber kniet oder
vielleicht sogar gestürzt ist.« Ich zeigte auf einen der Wege, die vom
Hauptgang abzweigten und nickte Amalie zu. »Nehmen Sie diesen hier, Hermann den
nächsten und ich gehe bis hinten durch.«
    Während ich weiter
auf das hintere Ende des Friedhofs zuging, behielt ich Hermann und Amalie im
Auge. Ihre Schultern und

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