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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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Raum
füllte. Aber diese Nächte waren seltener geworden, nachdem Hans in die Stadt
gezogen war und angefangen hatte zu studieren. Beinahe ganz aufgehört hatten
sie, als Frank in ihr Leben und in ihr Bett gekommen war und sie eine Ahnung
davon bekam, was Glück für sie bedeuten konnte. Sie hatte gedacht, es wäre
vorbei, und sich auf ihr Leben konzentriert, eine Ausbildung gemacht, eine
Wohnung gesucht, gelebt.
    »Wie
man sich doch täuschen kann«, murmelte sie, während der Raum um sie herum mehr
und mehr nach faulen Eiern, nassem Dreck und nach Fisch roch und Hans mit
langsam schwingenden Hüften auf sie zukam. Sie griff nach Franks Hand und
drückte sie. Die Musik wummerte in ihren Ohren, machte sie taub. Ihr Herz
stolperte.
    ***
    Der Krankenwagen
in der Mitte des Weges schickte sein stummes Blaulicht in die Wipfel der Bäume,
während die Sanitäter die Trage durch die Böschung balancierten.
    Horst Sauerbier
stand am Rande des Geschehens in eine heftige Diskussion mit Bernhard Hansen
verwickelt, deren Gesten und wütende Blicke in meine Richtung ich zwar sehen,
nicht aber die einzelnen Worte verstehen konnte. Judith war mit einem Kollegen
losgefahren, um Kai Rokke Hornbläser bei Hermann abzuholen und auf die Wache
nach Schleiden zu bringen. Für ihn würde sich die Sache vermutlich leichter
klären lassen als für Judith. Ganz zu schweigen von mir. Erstaunlicherweise
beunruhigte mich die Vorstellung, nun endgültig suspendiert zu werden, nicht.
Ganz im Gegenteil. Je mehr ich darüber nachdachte, umso verlockender erschien
mir der Gedanke, den Polizeidienst an den Nagel zu hängen. Ich war allem
Anschein nicht dafür geschaffen. Oder besser: Nicht mehr dafür geschaffen. Je älter ich wurde, desto weniger Lust hatte ich, mich Regeln
zu unterwerfen, deren Sinn ich nicht verstand. Mich Autoritäten zu beugen,
deren Rang nicht auf Kompetenz beruhte, und Dinge zu tun, von denen ich nicht
überzeugt war.
    »Er hat Glück
gehabt, dass Sie ihn rechtzeitig gefunden haben, Frau Weinz«, sagte der Notarzt
in meine Gedanken hinein. »Die Verletzung sieht nicht gut aus. Wir werden
sehen, welche Folgeschäden es gibt, wenn er erwacht.«
    Die Sanitäter
schoben die Trage, auf der der bewusstlose Frank Vorhaus lag, in den
Krankenwagen, schlossen die Türen und fuhren los. Die Räder knirschten auf dem
Kies. Ich wandte mich ab. Im ersten Augenblick, als ich ihn auf dem Boden der
Hütte hatte liegen sehen, hatte ich geglaubt, die dritte Leiche in diesem
Mordfall gefunden zu haben. Aber er atmete noch, wenn auch nur schwach. Seine
Haare waren blutverklebt und um die Wunde an seinem Hinterkopf schwirrten
Fliegen.
    »Frau Weinz«, rief
Sauerbier über den Parkplatz und winkte mich zu sich, während hinter mir die
Kollegen der Spurensicherung in ihren weißen Overalls wie Termiten über die
Hütte herfielen. »Es gibt da noch einiges zu klären«, empfing er mich mit einem
Gesicht, das keinen Rückschluss auf seine Stimmung zuließ, ganz im Gegensatz
zum Mienenspiel meines Vorgesetzten Bernhard Hansen. Bei ihm hatte ich
keinerlei Zweifel.
    »Heute Abend hast du
meine Kündigung auf dem Tisch«, sagte ich zu ihm, bevor er auch nur einen Satz
sagen konnte. »Dafür ersparst du mir jetzt bitte sämtliche Vorträge, in
Ordnung?«
    »Frau Weinz.«
Sauerbier tat so, als ob er meine Bemerkung nicht gehört hätte, und bremste
Hansen mit einer Handbewegung aus. »So wie die Sachlage sich nun darstellt,
erhärtet sich der Verdacht gegen Andrea Herbstmann. Können Sie etwas zu dem
Aufenthaltsort Ihrer Bekannten sagen?«
    »Nein.« Ich drehte
mich zur Hütte um. »Ich hatte gehofft, sie hier zu finden.« Als Opfer. Nicht
als Täterin. Ich brachte es nicht über mich, das auszusprechen. Denn jetzt
blieb keine Alternative mehr. Ich musste der Wahrheit ins Gesicht sehen. Aber
was hatte Judith gesagt? Es wäre zu einfach? »Ich glaube nach wie vor nicht,
dass Andrea die Täterin ist. Es passt nicht zusammen.«
    »Und was passt Ihrer
Meinung nach zusammen?«
    Ich schüttelte
ratlos den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Decken Sie Ihre
Freundin, Frau Weinz?« Sauerbier bedachte mich mit einem stechenden Blick.
    »Natürlich nicht.
Wenn ich wüsste, wo sie wäre …«
    »Wärst du mit
Sicherheit schon da und würdest die Sache auf deine Art regeln, was?«, knurrte
Hansen.
    Mein Handy
klingelte. »Nein, Bernhard, ich würde …«, murmelte ich und hob nach einem Blick
auf das Display ab. »Ja?«
    Ich lauschte. Der
Empfang war schlecht, und

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