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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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hatte man den Haupteingang weiter
nach oben auf den Hügel verlagert. Wer hier zur Schule ging oder Unterricht
gab, brauchte kein Fitnessstudio. Die vielen Treppen genügten vollkommen.
    »Zu einfach.«
Judiths Worte tanzten durch meinen Kopf. Aber wie ich es auch drehte und
wendete. Es ergab alles keinen Sinn. Ich mahnte mich selbst zur Ruhe. Es war zu
spät, um sinnlosen Hirngespinsten und vagen Gefühlen nachzujagen. Ich hatte die
Schule erreicht, rollte langsam an der Auffahrt vorbei, wendete und parkte den
Wagen genau gegenüber. Sauerbier und Hansen waren bereits angekommen. Ich
entdeckte sie und einige andere Kollegen in den Seitenstraßen, als ich ausstieg
und auf die Schule zuging.
    Andreas Wagen parkte
vor dem alten Eingang. Sie selbst stand gegen die Motorhaube gelehnt daneben
und wandte mir den Rücken zu. Sie hatte mich bisher nicht gesehen. Ich
überlegte noch, ob ich sie schon von Weitem ansprechen sollte, als Henrike aus
der Tür trat und unsicher auf der obersten Stufe der Treppe stehen blieb, als
sie uns beide entdeckte. Ihre Blicke wanderten zwischen mir und Andrea hin und
her. Andrea drehte sich um und bemerkte mich.
    »Hallo.« Ich blieb
stehen. Uns trennten zehn Meter. »Henrike hat mich angerufen und mir gesagt,
dass du hier sein würdest.«
    Andrea zuckte mit
den Schultern, beugte sich vor und nahm ihre Tasche aus dem Wagen. Sie hatte
abgenommen und sah schlecht aus. Die Jeans und das T-Shirt schlotterten lose an
ihr, Haarsträhnen verdeckten ihr Gesicht.
    »Mama?« Henrike
blieb wie festgewachsen auf der Treppe stehen. Andrea reagierte nicht.
Stattdessen sah sie mich unverwandt an. Sie lächelte, ohne dass das Lachen in
ihren Augen ankam.
    »Ich bin hier, um
mit dir zu reden.«
    »Worüber?«
    »Über Regina.« Ich
machte eine Pause. »Und über Birgit.«
    Wieder dieses stumme
Lächeln.
    »Und über Frank.«
    Andrea sah zu
Henrike hinauf. »Jetzt komm. Ich hab nicht ewig Zeit.«
    »Andrea, bevor du
fährst, müssten wir ein paar Sachen klären.«
    »Da gibt es nichts
zu klären.« Ihr Ton war sachlich. »Frank hat es nicht anders verdient.«
    Mir blieb für einen
Moment die Luft weg, als mir klar wurde, was das bedeutete. Sie wusste, dass
Frank Vorhaus etwas geschehen war, weil sie es gewesen war, die ihm das angetan
hatte. Dachte sie, er sei auch tot?
    »Die Ärzte sagen, er
wird durchkommen«, bluffte ich. Meine Gedanken rasten. Aber statt einer Antwort
stürmte Andrea zu Henrike, fasste sie am Arm und zerrte sie die Treppe
hinunter.
    »Es reicht jetzt.
Komm.«
    »Nein!« Henrike
versuchte sich loszureißen, wand sich und trat nach Andrea. »Ina, das ist nicht …« Ihre Worte gingen im lauten Heulen eines Martinshorns unter. Unterhalb der
Stichstraße raste ein Krankenwagen vorbei. Der Ton schmerzte in den Ohren, und
ich spürte ihn bis in meine Knochen hinein.
    Andrea stand reglos,
wie versteinert, bis der Krankenwagen vorbeigefahren war. Sie zitterte und rang
nach Luft. Ihre Finger krallten sich in Henrikes Oberarm. Es dauerte einen
Moment, bis ich begriff. Diese Reaktion auf den Lärm.
    Die Frau vor mir war
nicht Andrea. Es war Birgit. In Andreas Kleidung, mit ihrem Wagen. Sie sah mich
an. Lachte heiser. Verstand, dass ich verstanden hatte.
    »Du willst sicher
nicht, dass unserem Schätzchen hier was passiert, oder?«, zischte sie. Henrike
versteifte sich. »Du wirst mich jetzt mit ihr in den Wagen steigen lassen,
Ina.«
    Ich trat einen
Schritt zurück. Ich konnte nicht erkennen, ob Birgit eine Waffe hatte, aber in
Henrikes weit aufgerissenen Augen stand die nackte Panik. Wo waren Sauerbier
und Hansen? Ich wollte mich nicht umdrehen, um Birgit nicht den geringsten
Anlass für eine Kurzschlusshandlung zu geben.
    »Lass Henrike los,
Birgit«, bat ich leise und streckte meine Hand aus. Mein Herz raste.
    Henrike weinte.
Tränen liefen über ihr Gesicht. Ihre schmalen Schultern zuckten. Ich atmete.
Tief. Langsam. Eine Hitzewelle überrollte mich. Von einem Punkt über meinem
Herzen ausgehend, breitete sich die Wärme aus, kroch meinen Hals entlang, in
meine Haare, über meine Arme. Ich schwitzte und roch meine eigene Angst. Aber
da war noch etwas. Eine Erinnerung. Ein Puzzlestück rückte an die richtige
Stelle. Ein Teil des Bildes wurde klar. Der Geruch in der Hütte. Schweiß und
Angst. Blut und etwas, was ich nicht hatte zuordnen können. Holz und Leder. Das
Rasierwasser. Frank Vorhaus gehörte das Rasierwasser, das wir in Regina Brinkes
Badezimmerschrank gefunden hatten.
    »Frank hat

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