Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
konnte auch sie deutlich sehen, dass es ihm nicht gut ging, und vielleicht wusste sie ja bereits, was am Abend und in der Nacht zuvor passiert war, obwohl diese rücksichtsvolle Frau nichts sagte. Oder aber sie wusste es gar nicht. Noch nicht …
Verdammter Mist! Bald würde die Übelkeit sich einstellen, so sicher wie das Amen in der Kirche, und er wusste, dass er sich beeilen musste. Die Patientin bekam eine kurze, nüchterne Erklärung und die Ermahnung, so weiterzumachen wie bisher, neue Kontrolle in drei Monaten empfahl er und wandte sich der Schwester zu, die ihm signalisierte, dass sie das notiert hatte, zwar nicht mit dem alltagserprobten Lächeln, das sie sonst immer zeigte, eher mit einem steifen, kurzen Nicken, aber dennoch so deutlich, dass er verstand, dass sie das für ihn abschließen würde, einen neuen Termin festmachen und der Patientin hinaushelfen würde. Es gelang ihm aufzustehen, wenn auch nur äußerst langsam und vorsichtig im Hinblick auf den dröhnenden Kopf, er streckte die Hand vor, verabschiedete sich und verließ dann gefasst den Raum. Er versuchte, es nicht so aussehen zu lassen, als würde er fluchtartig davoneilen.
Auf dem Flur schoss ihm das grelle Licht der Leuchtstoffröhren direkt in den Kopf und ließ sein Gehirn endgültig explodieren. Er rannte zur Toilette und konnte gerade noch die Tür hinter sich zuziehen, als er sich schon übergeben musste. Das Erbrochene roch nach Whisky. Warum zum Teufel hatte er sich letzte Nacht den Dreck reinkippen müssen! Er hatte ja doch nicht davon schlafen können. War nicht einmal ruhiger geworden, es war ihm nur noch schlechter gegangen. Schwindlig, erschöpft, gehetzt.
Nachdem er mehrere Male gespült hatte, um den ekligen Geruch wegzukriegen, und endlich wieder auf den Flur trat, war Laura Ehrenswärd die erste Person, die er sah. Sie stand wie eine wütende Mutter vor dem Behandlungszimmer und unterhielt sich mit seiner Assistentin. Beide hatten die Köpfe zusammengesteckt, und sie redeten mit leiser Stimme, was nichts Gutes bedeuten konnte. Zwar wusste er, dass die Assistentin ihn mochte, oh ja, arbeiteten sie doch schon so lange zusammen und hatte er doch stundenlang ihren Sorgen wegen ihres heimlich trinkenden Ehemannes gelauscht, aber heute war die ganze Welt ihm feindlich gesonnen. Natürlich redeten sie schlecht über ihn.
Laura musterte ihn von oben bis unten wie ein Späher, ein magerer, knochiger Fehlersucher. Er sah, dass sie die Hände geballt hatte, und dann hörte er diese verfluchten Damenabsätze auf den Boden hämmern, das trippelnde Geräusch einer emsigen Dame näherte sich ihm, während er versuchte, in sein Sprechzimmer zu entkommen.
»Tomas«, sagte sie mit leiser, kontrollierter Stimme. »Willst du nicht lieber nach Hause fahren? Wir können deine Patienten umbuchen.«
»Ach Scheiße«, sagte er mürrisch.
Sie verstummte jäh, zog ihren Mund zu einem schmalen Strich zusammen. Er überlegte, wie viel sie wohl wusste. Er war nicht zum Morgenrapport erschienen, sondern sofort in sein Zimmer gegangen. Hatten die anderen über den Autounfall gesprochen? Sicher war das nicht. Es war nicht ihre Aufgabe, sich um Verkehrsunfälle zu kümmern, das war Sache der Spezialisten vom OP. Aber es wurde natürlich geredet. Die Herzintensivstation lag Wand an Wand mit der anderen. Wussten sie von Johans Verletzungen? Von Johans Tod?
Er war tot.
Widerstrebend hatte er am Morgen die Intensivstation angerufen, und mit Hilfe seines Namens hatte er eine Schwester gefunden, die ihn kannte. Er hatte erfahren, was er wissen wollte, aber mehr auch nicht. Die harten Fakten ohne Umschweife oder Spekulationen. Der Mann war tot. Mehr wollte er gar nicht wissen, keine Details. Er wollte nicht darüber reden und schon gar nicht alles noch einmal durchkauen, nichts kommentieren. Nichts wollte er. Absolut nichts. Nur weg.
Und Laura war Johan gegenüber ja auch nicht gerade die Liebenswürdigkeit in Person, als alles passiert ist, dachte er wütend. Carl-Magnus übrigens auch nicht, aber dieser steife, überhebliche Mistkerl würde das niemals zugeben. Er macht doch nie einen Fehler.
»Mach, was du willst«, sagte sie schließlich und schob die Hände in die Kitteltaschen, so dass der aufgeknöpfte Ärztekittel noch weiter aufsprang und er sehen konnte, dass diese sowieso lächerlich ordentliche Person Rock, Strümpfe und Schuhe im zueinander passenden Weinrot trug. Nur die blauweiß gestreifte Bluse stach heraus, und dann eigentlich auch
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