Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Claesson und die Chirurgin Veronika ein Paar geworden waren.
»War da was Besonderes?«, wollte Claesson wissen, schaute aus dem Fenster und stellte fest, dass es leicht anfing zu schneien.
»Es sah fast so aus, als hätte er gewollt, dass es passiert. Er ist genau in dem Moment, als ein Auto kam, mit hoher Geschwindigkeit auf die Fahrbahn geschossen. Die Straße wird nicht gerade viel befahren. Aber es gab keinen Abschiedsbrief oder andere Anzeichen für Selbstmord. Zumindest nicht laut seiner Frau«, erklärte Berg nachdenklich.
»Ein zweifelhafter Selbstmord. Ja, wer weiß, was sich so alles im Kopf eines Menschen abspielt. Ist jedenfalls traurig, dass er keine Hilfe bekommen hat«, sagte Claesson. »Die meisten wollen sich ja eigentlich gar nicht das Leben nehmen, wenn man es genau betrachtet, sagen die, deren Selbstmord misslungen ist, nachdem sie gerettet wurden. Wenn sie nur nicht zu schwer verletzt sind …«
Er versank in triste Gedanken, und viele der Selbstmordkandidaten, mit denen er es im Laufe der Zeit zu tun gehabt hatte, passierten Revue vor seinem inneren Auge.
»Ein Hilferuf«, sagte Berg, um überhaupt etwas zu sagen. »Kann einem nur der Leid tun, der ihn angefahren hat. War ja keine Absicht.« Er ging zur Tür. »Und noch was«, sagte er und wandte sich wieder Claesson zu, der bereits in einem Ordner blätterte und aussah, als wollte er sich auf etwas anderes als auf Selbstmordkandidaten konzentrieren. »Der Fahrer war auch Arzt, ein Kollege des Skiläufers«, brachte Peter Berg endlich heraus und ergriff mit einer Hand die Türklinke.
Das hatte den erwarteten Effekt. Claesson unterbrach sein Blättern und schaute ihn schweigend an.
»Ja, anscheinend bringen sie sich da im Krankenhaus gern gegenseitig um«, fügte Peter Berg lakonisch hinzu. »Das ist natürlich nur ein Zufall, aber …«
»Ja, genau, du sagst es«, nickte Claesson zögernd.
Er kratzte sich mit dem kleinen Finger im Ohr und dachte, dass diesmal wenigstens Veronika nicht in die Sache verwickelt war. Die hatte anderes, bedeutend Schöneres im Sinn.
Die leitende Ärztin Laura Ehrenswärd war etwas unkonzentriert, als sie eine Seite in der Mappe umblätterte, um anschließend ihren Blick dem Patienten zuzuwenden, der vor ihr saß. Sie wusste eigentlich genau, was da stand, sie hätte gar nicht hineinschauen müssen, weil sie den Inhalt in- und auswendig kannte. Und außerdem spielte es gar keine Rolle, was da stand. Es war die Wirklichkeit, die zählte. Ihre medizinischen Kenntnisse, und in erster Linie ihre reichhaltige Erfahrung sagten ihr, dass es nur in eine Richtung gehen konnte. Die Zeit der Wunder war vorbei. Sie brauchte den Mappenstapel eigentlich vor allem als eine Art Anker, eine Garantie dafür, dass sie und ihre Kollegen, und auch die Krankenschwestern, alles getan hatten, was sie konnten. Das konnte in Ziffern gemessen werden, und der Mann hatte sein Leben genau an solchen Ziffern festgemacht, die jetzt in die falsche Richtung zeigten.
»Es hat keinen Sinn mehr mit Zytostatika?«, fragte er vorsichtig und hielt den Atem in Erwartung der Antwort an.
»Nein, es würde Ihnen nur noch schlechter gehen«, erwiderte sie und sah, wie er ausatmete, um die Angst zu vermindern, die die ganze Zeit auf der Lauer lag.
Sie versuchte es mit einem Lächeln, aber das wollte nicht so recht klappen, und ehrlich gesagt gab es auch nichts zu lachen. Und das hatte der Mann vor ihr gerade erfahren.
Laura schaute auf ihre Hände, die den Mappendeckel hielten. Die Haut auf den Handrücken war immer noch von der Weihnachtsreise auf die Malediven braun. Wenn sie den Weißgoldring mit den drei Steinen auf den Zeigefinger der linken Hand schob, konnte er wie ein Verlobungsring aussehen. Sie konnte ihn umstecken, wenn die Sonnenbräune zurückgegangen war, so dass der weiße Strich auf dem rechten Ringfinger nicht mehr zu sehen war.
Der Mann saß bewegungslos vor ihr und ließ seinen Blick aus dem Fenster gleiten. Die eine Leuchtstoffröhre an der Decke flackerte und gab ein knackendes Geräusch von sich. Ich muss sehen, dass jemand das repariert, dachte Laura. Ziemlich nervend. Sie schaute dem Mann ins Gesicht, seine Augen wurden richtig nussbraun durch das Tageslicht, das auf ihn fiel. Sie war definitiv nicht in Form, fühlte selbst eine Mischung aus Unzurechnungsfähigkeit und mangelnder Konzentration in sich nagen, aber trotzdem blieb ihr noch genügend Einfühlungsvermögen, um einzusehen, dass es dem Mann nicht gut ging. Ein
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