Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
...“
„Was weiß ich nicht?“, hatte
Magdalenas Vater sie cholerisch angebrüllt.
„Dass Ihre Tochter, nun ja ...
einen, sagen wir mal, eine Art Freund hat?“
Nun war es an Onno Fehnkamp
gewesen, für einen langen Moment zu schweigen. Die Worte der Lehrerin hatten
ihn in eine Art Schockstarre versetzt. Magdalena hatte einen Freund? Das konnte
doch nicht sein! Nicht seine kleine, unschuldige Tochter, die noch nie ein
Interesse am anderen Geschlecht bekundet hatte, sondern in aller Demut ein
anständiges und gottgefälliges Leben führte.
„Das ist eine infame Lüge!“, hatte
er von einem Moment auf den anderen losgedonnert; und hätte er Sybille
Ravensburger in diesem Moment vor sich stehen gehabt, so hätte er gesehen, wie
sie schreckhaft zusammenzuckte. „Und was soll das überhaupt heißen Eine Art
Freund ? Wie soll denn bitte schön solch Eine Art Freund aussehen?“
Die Lehrerin hatte gekichert.
„Nun, wenn Sie es wirklich genau wissen wollen, Herr Fehnkamp ...“
„Ich bitte darum!“
„Na, dann nennen wir es doch mal
anders. Gefällt Ihnen vielleicht das Wort Gespiele besser? Oder Liebhaber? Oder
vielleicht ... Lover?“
Magdalenas Vater hatte nach Luft
geschnappt und mit Mühe hervorgepresst: „Niemals! Niemals hat meine Magdalena
einen ... Geliebten! Für diese infame Lüge werde ich Sie ...“
„Sagt Ihnen der Name Raffael
Winter was?“, war er von seiner Gesprächspartnerin unterbrochen worden.
„Raffael Winter? Ist das nicht
...“
„Genau. Magdalenas Musiklehrer.
Sie können mir glauben, Herr Fehnkamp“, wieder hatte Sybille Ravensburger
albern gekichert, bevor sie weiter sprach, „es sind ganz bestimmt nicht die
Tasten des Klaviers, die dieser Winter bei Ihrer Tochter zum Klingen bringt.“
„Infame Lüge!“, hatte Fehnkamp
geschrieen. „Was fällt Ihnen ein, mir gegenüber solch unflätige Behauptungen
aufzustellen! Herr Winter wurde mir von unserem Herrn Pastor, Jonathan
Eckstein, wärmstens empfohlen. Er ...“
„Wärmstens, soso“, hatte das
Kichern am anderen Ende der Leitung zugenommen, „ja, das kann natürlich sein.
Schließlich ist Pastor Eckstein bekanntermaßen ja ein warmer Bruder, ein
äußerst warmer sogar.“
„Was soll das heißen, Warmer
Bruder ?“, hatte Fehnkamp irritiert nachgehakt. Er hatte diesen Ausdruck
noch nie gehört.
„Er ist schwul, Herr Fehnkamp,
stockschwul.“
Das hatte gesessen! Vor lauter
Schreck hatte sich Magdalenas Vater auf seinen Stuhl zurücksinken lassen, von
dem er im Laufe des Gesprächs aus lauter Empörung heraus hochgeschossen war. „D-das
ist nicht wahr“, hatte er gestammelt und dann mit deutlich festerer Stimme
hinzugefügt: „Sie sind eine ganz infame Person, Frau Ravensburger. Ich werde
Sie ...“
„Sie werden mich was?“, hatte
Sybille Ravensburger spröde erwidert. „Anstatt mich hier so anzugehen, sollten
Sie sich lieber mal mit Ihrem Fräulein Tochter auseinandersetzen, die, wenn Sie
mich fragen, derzeit völlig aus dem Ruder läuft. So, wie die es mit diesem
Winter treibt, ist es kein Wunder, dass ihre schulischen Leistungen in letzter
Zeit zu wünschen übrig lassen. Sie sollten sie mal sehen. Sie führt sich auf
wie eine kleine Nutte, sie ...“
Auf diese Worte hin hatte Onno
Fehnkamp wortlos den Hörer zurück auf die Gabel seines altmodischen Telefons fallen
lassen. Und nun saß er da auf seinem Stuhl, denkbar schlecht gelaunt und in der
Stimmung, alle Kekse, die noch in der Schale lagen, auf einmal in sich hinein zu
schieben. Nun, dachte er bei sich, was machte es für einen Sinn, sich hier über
die unverschämten Worte dieser frustrierten Lehrerin den Kopf zu zerbrechen. Er
würde nun, mit seinen Keksen, in aller Ruhe warten, bis Magdalena nach Hause
kam, die mit ihrer Mutter beim Einkaufen war. Er war überzeugt, dass sie auf
die böswilligen Anschuldigungen genauso empört reagieren würde wie er selbst.
Wie sollte es auch anders sein. Seine kleine, unschuldige Magdalena sollte ein
Verhältnis mit ihrem Musiklehrer haben! Eher würde sich ja wohl ein Kamel
durchs Nadelöhr ... na ja, auf jeden Fall war das alles undenkbar, völlig
undenkbar!
Mit Einkaufstüten schwer beladen
standen Magdalena und ihre Mutter rund eine halbe Stunde später in der Haustür.
„Stellt die Tüten einfach in die Küche“, rief ihnen Onno Fehnkamp aus dem
Wohnzimmer entgegen, „ich muss dringend mit euch reden.“ Daran, aufzustehen und
ihnen die schweren Tüten abzunehmen, dachte er nicht. Hausarbeit war
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