Lustnebel
ihrer Mundhöhle, als sie damit gegen ihre Zähne stieß. Ihre Lippen schmiegten sich um das Metall, als sie das Esswerkzeug hervorzog. Der klebrige Haferflockenbrei schmeckte süß und cremig zugleich. Sie kaute bedächtig, das Porridge glitt samtig ihre Speiseröhre entlang, und Chaytons Blick fixierte ihre Kehle. Hitze stieg in Rowena hoch. Ihr Herz pochte schneller, und sie musste sich streng zur Ordnung rufen. Sie durfte ihren Vorsatz nicht vergessen. Chayton sollte sie nicht mehr benutzen. Nie mehr. Rowena unterdrückte ein lustvolles Aufstöhnen. Da sie wusste, wie wenig standhaft sie sein würde, bliebe sie auch nur noch eine Sekunde länger an Ort und Stelle. Sie erhob sich mit aller Grazie und Würde, derer sie fähig war, und nickte Chayton zu.
„Du entschuldigst mich?“ Sie drehte sich um und rauschte hinaus. Im Gang lehnte sie sich an die Wand und versuchte, zu Atem zu kommen. Ihr Herz schlug so wild, dass ihre Knie zitterten. Einen Moment lang schloss sie die Augen. Der Gedanke, spazieren zu gehen, behagte ihr mit einem Mal überhaupt nicht mehr. Das gäbe ihr nur zu viel Zeit und Gelegenheit nachzudenken. Vielleicht sollte sie stattdessen einen Besuch wahrnehmen. Die einzigen Menschen im Umkreis, mit denen Rowena Bekanntschaft pflegte, waren die Cuthberts.
Sie stieß sich von der Wand ab. Der Vorteil eines kleinen Bekanntenkreises, man hatte keine großen Überlegungen anzustellen, wen man besuchte.
In der Halle begegnete sie Cain.
„Cain, gib dem Kutscher Bescheid. Ich wünsche, den Cuthberts einen Besuch abzustatten“, beauftragte sie ihn.
„Den Cuthberts“, echote Cain. Ein Schatten flog über sein Gesicht. „Ist Lord Windermere informiert?“
Rowena blinzelte überrascht. „Ich kleide mich an und erwarte, dass die Kutsche bis dahin bereitsteht“, gab sie zur Antwort und fühlte leichten Ärger in sich aufsteigen.
Cain nickte. Im Gehen sah Rowena seine finstere Miene, und sie beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit zu fragen, ob er etwas gegen die Cuthberts hatte.
Die Kutsche rumpelte über die Schotterwege.
Rowena rieb sich die schmerzende Schulter. Sie überlegte, ob der Weg das letzte Mal ebenso schlecht gewesen war oder ob sich der Fahrer mit Cain verbündet hatte und absichtlich in jedes Schlagloch fuhr, das er zu entdecken vermochte. Sie stieß einen leisen Schmerzenslaut aus und öffnete das Kutschenfenster. Der Fahrtwind peitschte ihr ins Gesicht, und der Geruch verbrennenden Torfs stieg ihr in die Nase. Unterhalb der Straße erstreckte sich die Schlucht, durch die Rowena wanderte, wenn sie die Cuthberts zu Fuß besuchte. Erneut fuhr Pete, der dicknasige Kutscher, durch ein Loch, und die Wucht warf Rowena nach oben, sodass ihr Hinterkopf gegen den Fensterrahmen schlug.
„Pete!“, schrie Rowena schmerzerfüllt und wütend zugleich.
Trotz der Geräusche, die Pferde und Kutschenräder machten, schien Pete sie zu hören. Denn er drosselte augenblicklich die Geschwindigkeit.
Zufrieden lächelnd zog Rowena sich zurück und lehnte sich an die Polsterung, um prompt erneut durchgeschüttelt zu werden. Sie seufzte.
In dem Tal rannte ein Rappe über eine Weide. Das schwarze Fell des Pferdes glänzte seidig im Licht, und die stolze Haltung, die eleganten Bewegungen und der stromlinienförmige Körperbau wiesen es als Rennpferd aus. Seine Mähne wehte im Wind, und der Schweif wippte im Takt seines Galopps. Rowena glaubte förmlich zu hören, wie die Hufe über die Erde stampften, wie die aufgewirbelte Erde roch und das Fell des Tieres.
Sie riss sich vom Anblick des Rappen los und hielt Ausschau nach dem Landhaus der Cuthberts. Tatsächlich war das Haus auszumachen. Überrascht bemerkte Rowena die vornehme Kutsche vor dem Eingang, die sich langsam in Trab setzte. Vier Fuchswallache waren davorgespannt, die sich in harmonischer Übereinstimmung in Trab setzten. Die Equipage rollte ihnen entgegen, und Rowena reckte ihren Kopf, um das Wappen zu erkennen. Doch erst, als die beiden Kutschen aneinander vorbeifuhren, gelang ihr ein Blick auf das Familienwappen.
Grübelnd lehnte sie sich zurück. Es war die Droschke Sir Geoffrey Turnbulls. Was hatte er mit den Cuthberts zu schaffen?
Erneut wurde sie durchgeschüttelt und verlor darüber den Gedanken, der ihr durch den Kopf schoss. Als die Kutsche vor dem Landhaus abbremste, kletterte Rowena ungeduldig aus der Kabine, ohne auf die Hilfe des dicknasigen Kutschers zu warten. Als dieser bereitstand, gab es für ihn nichts mehr zu
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