Lustvolles Erwachen
eingeladen worden zu sein.«
»Gefallen dir seine Arbeiten?«, fragte Diccan und dachte daran, wie langweilig Jasperware aussah. Zwar war das Steinzeug handwerklich wunderbar gemacht, doch meist in einem faden Blau und Weiß gehalten.
»Oh«, entgegnete sie, »man hat mir versichert, dass es das perfekte Accessoire im Haushalt eines aufstrebenden Diplomaten ist. Kate kommt mit, um meine allzu überbordende Spontaneität beim Kaufen zu zügeln.«
Diccan hätte beinahe laut aufgelacht. Wenn es etwas gab, das er Grace nicht vorwerfen konnte, dann war es ein Übermaß an überbordender Spontaneität – außer vielleicht im Sattel. Und er glaubte auch nicht, dass Kate wusste, wie man irgendjemanden zügelte. Ich sollte etwas sagen , dachte er, fragen, was sie von italienischer Majolika oder venezianischem Glas hielt . Wenn er sich so die gedämpften Farben ansah, die sie für gewöhnlich trug, wollte er die Antwort gar nicht wissen. Vielleicht würde er die Majolika-Stücke in sein Büro stellen.
»Nun ja«, sagte er und half ihr in den Sattel, »wir sollten Mr. Wedgwood nicht warten lassen.«
Während der nächsten Tage, in denen sein Haus Gestalt annahm, ließ sich über Grace’ Geschmack nicht streiten. Er war untadelig, wenn auch ein bisschen trist. Wahrscheinlich würde sein Haus nicht besonders aufregend aussehen, aber gemütlich sein. Nur einmal gab es Streit: Als ihn von der Wand im Salon ein bekanntes Gesicht anlächelte.
»Was, zur Hölle, macht das hier?«, wollte er wissen und deutete auf die makelloseste Schönheit Europas, die den Betrachter in Gestalt von Aphrodite mit einem Apfel in der Hand und einem Funkeln in den Augen einladend ansah.
Grace betrachtete das Gemälde, als würde sie nicht verstehen. »Das ist meine Mutter«, erwiderte sie.
Diccan funkelte sie an. »Ich weiß, dass das deine Mutter ist. Woher hast du das?«
Sie wurde ruhig und zögerte, wie sie es so oft tat. Unwillkürlich musste Diccan an ein in die Ecke gedrängtes Tier denken. »Das Bild hat meinem Vater gehört. Gibt es ein Problem? Er hat es für eines der besten Werke Raeburns gehalten.«
Diccan, der verbindlichste Mann Englands, wusste nicht, wo er beginnen, was er antworten sollte. War Grace denn wirklich so blind, dass ihr nicht klar war, dass die Leute das Gemälde mit ihr vergleichen würden? Dass die feine Gesellschaft, sobald sie davon erfuhr, herbeiströmen würde, um zu sehen, wie Grace damit fertigwurde, dass ihre verschwundene Mutter ihr wie ein Schreckgespenst dessen, wie sie hätte sein sollen, über die Schulter blickte?
»Das ist das Einzige, was mir noch von meinem Vater geblieben ist«, sagte sie leise. »Er hatte es immer bei sich.«
In dem Moment hätte er sie beinahe in große Gefahr gebracht. Denn in ihren Augen sah er den Schatten eines Schmerzes, wie er ihn nicht kannte – Verlust, Leid, Trauer –, der älter war als der Schmerz über den Tod ihres Vaters. Und ihm wurde bewusst, dass er sie einfach nur in die Arme schließen und ihr versichern wollte, dass es jemanden gab, der sie schätzte, wie sie es verdiente. Jemanden, der sie nicht nur wegen ihrer Hilfsbereitschaft und Fürsorge liebte.
Guter Gott. Was war mit seiner Sachlichkeit passiert? Mit seiner Überzeugung, dass sie nichts miteinander zu tun hatten und dass sie ohneeinander besser dran wären? Änderte er gerade seine Meinung?
Er musste zurückweichen. Er konnte das Risiko, sich selbst zu verraten, nicht eingehen – nicht, wenn er beobachtet wurde.
Resigniert hob er die Hand und wandte sich ab. »Ich würde es vorziehen, dass es in den Privaträumlichkeiten hängt.«
Ihre Antwort war vorhersehbar. »Selbstverständlich.«
Von dem Moment an verbrachte er weniger Zeit mit ihr. Zuerst sagte er ein paar Abendessen ab, dann einen Ausritt. Er kam spät nach Hause und stand spät auf, mit der Ausrede, einen russischen Diplomaten begleiten zu müssen, der sich zurzeit in der Stadt aufhielt. Er hätte erleichtert sein sollen. Stattdessen war er unsicher und verärgert – vor allem, als ihm klar wurde, dass Grace’ Grenadiere so viel mit ihr unternahmen, dass sie ihn vermutlich nicht einmal vermisste.
Er beschloss, dankbar dafür zu sein. Er konnte nichts anderes tun. Das alles änderte sich, als er nach Hause kam und Kit Braxton im Salon sitzen sah.
»Grundgütiger«, sagte er, als der ehemalige Soldat, der in der Schlacht einen Arm verloren hatte, sich aus dem Sessel erhob, »was machst du denn hier?«
Kit war ein ganz
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