Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
auszureden. Wahrscheinlich war die Einsamkeit in Tibet doch ein wenig zu viel für sie. Wer käme da nicht auf solche absurden Gedanken?“
Jason wusste nicht, ob er diese Erklärung glauben sollte. Eine kleine Weile herrschte Stille.
„Ich habe eine Menge Fehler gemacht“, gab Leander unumwunden zu. „Vor allem hätte ich ihr mehr vertrauen sollen und auch dir. Aber vielleicht sind das Fehler gewesen, die jeder besorgte Vater einer heranwachsenden Tochter macht.“
Der Vampirfürst spürte die leise Verzweiflung in diesen Worten und klopfte seinem ehemaligen Mentor tröstend auf die Schulter.
„Immerhin ist Ayleen kein normales Kind. Sie ist etwas Besonderes – genau wie ihre Eltern.“
Bei diesem Satz sah Leander das schöne Gesicht der Lady Alderley vor sich. Die gleichen herrlichen Amethystaugen unter schweren dunklen Wimpern. Ein schneewittchenhaft unschuldiges Antlitz mit weißem Teint und hüftlangem ebenholzschwarzem Haar, das die zarte Gestalt wie einen Umhang aus Seide umfließen konnte. Lydia Alderley hätte jeden Mann um den Verstand gebracht. Aber das war jetzt nur ein schwacher Trost, denn diese Frau war das genaue Gegenteil von unschuldig gewesen. Sie hatte den Tod verdient. Doch sie hinterließ ein düsteres Erbe in seiner Kleinen, das nun zum Vorschein drängte.
„Stimmt was nicht?“, fragte Jason, als er sah, wie nachdenklich Leander geworden war.
Der Halbengel blickte auf. Seine Miene schien irgendwie versteinert.
„Ayleen und ich haben einen schweren Weg zu gehen. Aber du kannst uns nicht begleiten. Bitte warte einen Augenblick hier. Ich muss nach meiner Tochter sehen“
Die merkwürdigen Worte hallten noch in Jasons Kopf nach, als der Atlanter das Büro schon verlassen hatte. Was ging hier bloß vor?
Währenddessen hatte sich Ayleen auf ihren Übergang in die Dunkelwelt vorbereitet. Es war die Nacht zum 1. August, einer der alten Hexenfeiertage. Sie hatte geduscht, frische Kleidung angezogen, sich hübsch gemacht und erwartete ihren Vater nun in einem lavendelfarbenen langen Kleid aus weicher Wildseide, das ihre Augenfarbe wunderbar betonte.
Ich möchte schön sein für diese Reise, war ihr Gedanke dabei gewesen.
Sie hatte noch so wenig von ihrem Leben gehabt und doch schon entschieden, dieses zu verlassen, um eine Existenz als Seelenlose zu beginnen. Und das auch nur solange, bis sie ihren Plan, Xavier zu vernichten, erfüllt haben würde. Sie hatte eigentlich viel mehr Widerstand von ihrem Vater erwartet, doch dieser schien sie zu verstehen, auch wenn er ihr Vorhaben nicht gutheißen konnte. Ihre Seele würde in Jason einfließen und ihm ein neues sterbliches Dasein ermöglichen. Ayleen zog die Organza-Vorhänge ihres Zimmers vor, so dass das Sonnenlicht über den erntereifen Feldern nur noch gedämpft hineinscheinen konnte. Der Abend würde bald hereinbrechen. Sie suchte im Radio nach einem Sender mit leiser klassischer Musik und lauschte eine Weile den Violinen- und Pianoklängen, bis ihr Vater klopfte und ins Zimmer trat. Er hielt einen kleinen silbernen Pokal in der Hand.
„Du siehst wunderschön aus“, bemerkte Leander mit heiserer Stimme, als er die zierliche kleine Fee vor ihm betrachtete. Ihr weißgoldenes Haar floss wie das ihrer Mutter bis zu den Hüften in sanften Wellen hinab. Ihm graute vor dem, was er tun musste, doch er hatte es seiner Tochter versprochen. Ayleens Blick war fest entschlossen. Ihre Tränen waren versiegt. Sie nickte, als wolle sie ihren Vater ermutigen, näher zu treten und den Seelenwechsel zu vollziehen.
†
Mit den bereit gelegten Duschhandtüchern halfen sich die wiedergeborenen alten Meister gegenseitig, die Reste ihrer Geburt von den milchigweißen Körpern zu entfernen. Ihre Haut schimmerte durchscheinend wie Pergament. Xavier wusste, dass sie erst nach der ersten Mahlzeit ihre natürliche Hautfarbe wiedererlangen würden. Er musste sie zunächst einmal auf ihr neues Dasein vorbereiten und schon packte ihn das schlechte Gewissen, dass er den achten Priester für sich getötet hatte.
Fünf Männer und zwei Frauen waren aus den Kokons geschlüpft. Jedem von ihnen reichte er nacheinander eine der grauschwarzen Mönchskutten. Unter deren Kapuzen blieben sie unerkannt bis sie in Sicherheit waren. Aber zunächst einmal musste er sie hier heraus bringen. Wieder tauchte ein Problem auf. Dieses Gewölbe hier galt nicht als Heiliger Boden, der Vatikan dagegen schon und da musste er sie nun durchschleusen, ohne Aufsehen zu
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