Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Laien zur nächsten. Die Reaktionen auf die
Kirchenkritikerin waren vor allem auf Seiten der Kleriker gemischt,
blieben aber stets freundlich und höflich. Niemand ließ sich zu einer
Provokation herab, zumindest nicht in Gegenwart Benellis und seines
exotischen Gastes. Niemand bis auf den greisen Kurienkardinal Sergio
Monti, der auf einem hohen antiken, mit Purpur bespannten Stuhl saß
und von dort aus eine kleine Schar von Zuhörern, die er um sich
versammelt hatte, dirigierte.
Catherine wusste aus diversen Artikeln, dass Montis Verstand trotz
seines kanonischen Alters nichts von dem Biss eines Dobermanns
eingebüßt hatte. Lange vor Ciban hatte er unter Innozenz den Prozess
gegen Catherine eingefädelt, und sicher hatte der jüngere Kardinal eine
Menge von dem greisen Rechtsverdreher und ehemaligen
Glaubenswächter gelernt. Auch war der alte, zerbrechlich wirkende
Zwerg für seinen beißenden Sarkasmus bekannt.
»Ich habe gehört, Sie gedenken, die Kirche zu verlassen, Schwester
Catherine?« Es klang mehr wie die höfliche Aufforderung, genau dies
doch bitte zu tun.
Einige der Gäste mochten darin auch die leidenschaftslose Feststellung
heraushören, dass die Exkommunikation der Autorin sowieso nur noch
eine reine Formsache war.
»Ich hoffe nicht, Eminenz, denn die Kirche ist in großen
Schwierigkeiten, und ich habe ihr noch einiges zu sagen.«
»Oh, ich dachte, Sie hätten ihr schon mehr als genug gesagt.« Der alte
Kardinal blickte verschmitzt in die Runde, als habe er gerade einen
wirklich guten Scherz gemacht.
»Wissen Sie, Eminenz«, Catherine sprach betont langsam und
überdeutlich, »die Kirche ist alt, und sie begreift nur noch langsam. Aber ich werde sie deshalb nicht aufgegeben. Sie ist meine Heimat, und ich
liebe sie, auch wenn sie nicht immer liebenswert ist.«
In einigen Augen funkelte unterdrücktes Lachen, in anderen offene
Entrüstung. Monti und Catherine starrten sich mehrere Sekunden lang
an, dann lächelte der Kardinal, als hätte er gerade das Bouquet eines
hochkarätigen Weines genossen oder den ersten Akt einer viel
versprechenden Symphonie.
»Ich werde Sie vermissen, Schwester Catherine. O ja, ich werde Sie
vermissen, glauben Sie mir. Ich wünsche Ihnen und Ihren Freunden noch
einen guten Abend. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
Catherine nickte höflich. »Eminenz.«
Als der greise Kardinal außer Hörweite war, sagte Ben ohne Rücksicht
auf die Anwesenheit Benellis: »Kardinal Monti hat den hässlichsten
Charakter, den ich je erlebt habe. Wie kann die Kirche nur solch einen
Mann in ihrer Mitte dulden?«
»Ich würde jetzt gerne behaupten, es gebe Schlimmere«, erklärte Benelli
ruhig. Und an Catherine gewandt: »Sie haben sich ausgezeichnet
geschlagen.«
Catherine seufzte. »Das nützt mir nur leider in einem Krieg wie diesem
nicht viel, Eminenz. Und das weiß Kardinal Monti sehr genau.«
Der Gastgeber schüttelte den Kopf und meinte ironisch: »Kardinal Monti
weiß vor allem eines: dass er das Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen
kann, aber wie Sie sehen können, versucht er es trotzdem.« Er deutete
unauffällig in Richtung des alten Kardinals, der gerade von seinem
Assistenten ein Pillendöschen erhielt. Monti schluckte die Tabletten und erhob sich dann mühsam aus seinem Stuhl. Bereits wenige Augenblicke
später bewegte er sich jedoch auf das Büfett zu, als wäre er um ein gutes Jahrzehnt verjüngt.
»Die Segnungen der modernen Medizin«, erklärte Benelli. »Auch Seine
Heiligkeit Papst Innozenz hat in den letzten Jahren seines Pontifikats
davon profitiert. Dem Himmel sei Dank! Sonst hätten wir jetzt noch ganz
andere Probleme.«
Catherine blickte Benelli verwirrt an. »Verzeihen Sie, Eminenz, aber ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
Der Kardinal wollte zu einer Erklärung ausholen, als ein Telefon
gedämpft schrillte. Er machte eine entschuldigende Geste, griff in die
Tasche seiner Soutane und zog ein Handy heraus.
»Ja?« Er hörte ein Weilchen schweigend zu, verabschiedete sich von
dem Anrufer und schaltete das Handy ab. Dann wandte er sich an
Catherine und Ben.
»Schwester Thea und Kardinal Bear hatten eine Autopanne. Der
Abschleppdienst ist bereits verständigt. Ich werde vorsichtshalber einen Wagen losschicken, um sie abholen zu lassen.«
Er winkte einen seiner Angestellten heran, einen stämmigen Hünen in
schwarzem Anzug, und erklärte diesem, was geschehen war. Der Mann
machte sich sofort auf
Weitere Kostenlose Bücher