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Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
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ihrer
    Gabe bediente, doch sie wagte es nicht, dies zu tun, aus Angst, den damit verbundenen Zauber unwiederbringlich zu zerstören. Möglicherweise
    hatte die Verbindung zwischen Benelli, ihr und dem Papst sogar den
    phantastischen Tagtraum initiiert, die kurze, prägnante Vision, die sie
    gerade noch vor wenigen Minuten im Dachgarten gehabt hatte, als sie
    mit dem Laptop an ihrem neuen Buch gearbeitet hatte.
    In diesem Tagtraum war sie Teil einer Gruppe von Menschen gewesen,
    Männer, Frauen und Kinder, die sich dem antiken Jerusalem von
    Bethanien her über die drei Kilometer lange Jericho-Straße und den
    Ölberg genähert hatte. Es war alles so real, so greifbar gewesen – bis zu Leos Attacke, die sie jäh über das Energieband aus ihrer Vision gerissen hatte.
    »Ich werde Kardinal Ciban informieren«, sagte der Papst. Er ging zu
    seinem Schreibtisch, griff zum Telefon und wählte über die
    Kurzwahltaste die entsprechende Nummer im Palast der Inquisition.
    Das Gespräch dauerte keine zwei Minuten, dann legte er auf. »Jetzt heißt es warten, Schwester. Ich habe keine Ahnung, wer das jüngste
    Mordopfer ist, aber ich fürchte, wir werden es schon sehr bald erfahren.«

43.

    Kalkutta, Kirche in Motijhil

    Als Pater Sam Raj wie jeden Morgen die kleine Kirche in Motijhil durch
    die Sakristei hinter dem Hochaltar betrat, war das Erste, was ihm auffiel, der warme Kerzenschein. Am Abend zuvor hatten bei weitem nicht so
    viele Kerzen in der Kirche gebrannt, doch jetzt war der ganze vordere
    Altarbereich in ein warmes, fast zärtliches Licht getaucht.
    Pater Raj umrundete den Bereich und erblickte eine auf dem Steinboden
    liegende Engelsgestalt, umgeben von einem Meer an Kerzen. Die Gestalt
    war in den blau-weißen Sari der Gemeinschaft gehüllt, in die
    Ordenstracht der Missionarinnen der Nächstenliebe. Er hielt vor Schreck
    den Atem an und schlug ein Kreuz.
    »Schwester?«
    Besorgt eilte der Pater auf die Ordensfrau mit den von sich gestreckten
    Armen zu, doch die Kerzen verhinderten, dass er sich ihr sofort nähern
    konnte, ohne sich dabei zu verbrennen. Er tastete sich an die erste
    Kerzenreihe heran und glaubte zu hören, wie sich im restlichen
    Halbdunkel der Kirche Dinge bewegten. War da etwa ein Stöhnen in der
    Dunkelheit?
    »Schwester!«
    Die Nonne lag auf dem Boden und blickte zur Decke der kleinen Kirche
    hinauf, als hätte sie gerade eine himmlische Vision. Pater Raj fürchtete die unheimlichen Geräusche und die Schatten, die die Kerzen auf den
    kühlen Steinboden warfen, doch dann fegte er mehrere Reihen hinweg.
    Während er das tat, fiel ihm auf, dass die Missionarin anscheinend gar
    nicht mehr atmete. Auch wirkte ihr visionärer Blick ziemlich starr.
    Schließlich erstarrte er mitten in der Bewegung, denn er erkannte das
    Gesicht der wie ohnmächtig Daliegenden. Es war Schwester Silvia!
    Hoch über ihr tanzte das Altarkruzifix in Schatten und Licht.
    Als er die letzte Kerzenreihe zwischen sich und der Schwester entfernt
    hatte, beugte er sich über die Nonne und lauschte nach ihrem Atem.
    Nichts. Dann ergriff er ihren Arm und fühlte den Puls. Wieder nichts.
    Pater Raj stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Er schlug ein
    Kreuz, nahm Schwester Silvias kühle Hand in die seine, begann ein
    Gebet und weinte.

44.

    Flughafen Kalkutta

    Monsignore DeRossi legte sein Handgepäck ins Fach und setzte sich auf
    seinen Fensterplatz. Dummerweise war das Glas außen so verschmiert,
    dass er die Welt jenseits des Flugzeugs bloß verschwommen erkennen
    konnte. Ein gespenstisches, bleiches Licht schimmerte über das Rollfeld.
    Es war nur die Morgendämmerung. Doch sie machte ihn nervös.
    Er knipste die drei Leselampen über ihm an. Die Maschine war diesmal
    nur zu einem Drittel besetzt, daher waren die Sitze neben ihm leer, und
    es würde sich niemand beschweren. Im Lichtkegel der Lampe atmete er
    tief durch und versuchte sich zu entspannen.
    Beim Start wurde sein Körper gegen den Sitz gedrückt. Als die Maschine
    abhob, erinnerte ihn das Gefühl prompt an jenen Augenblick, in dem
    Schwester Silvia aufbäumend ihren letzten qualvollen Atemzug getan
    hatte. Alles war nach Plan verlaufen, und doch hatte das Ableben der
    Ordensfrau für deRossi eine einzigartige Überraschung bereitgehalten.
    Er glaubte, eine mystische Erfahrung gemacht zu haben.
    Schon die erste reale Begegnung mit Silvia in der kleinen Kirche – sie
    hatte nach ihrem Weg durch die Slums gerade in Andacht versunken
    gebetet – hatte ihn

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