Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
sich zu Rinaldo ins
Wohnzimmer gesellt und war dort auf einen kleinen Stapel von
Tageszeitungen gestoßen, die der Pater gelesen und dort gesammelt
hatte. Beim flüchtigen Durchblättern der Rubriken Politik bis Sport fiel sein Blick schließlich im Regionalteil auf eine der Überschriften, und
sein Herz setzte einen Schlag aus.
»KATHOLISCHER PRIESTER BEI APPARTEMENTHAUSBRAND
UMS LEBEN GEKOMMEN!«
Ben las den Bericht, und mit jedem Satz wurde ihm übler. Wie es hieß,
war eines der Appartementhäuser nahe dem Forum Romanum teilweise
abgebrannt. Ausgangspunkt des Brandes war vermutlich eine Wohnung
im zweiten Stock gewesen. Es hatte vier Leichtverletzte gegeben, zwei
Schwerverletzte und zwei Tote, darunter ein katholischer Priester.
Die Zeitung glitt ihm aus der Hand. Gott im Himmel, Abel war tot! Das
war ganz sicher kein Unfall! Vermutlich war der junge Priester genau zu
der Zeit ermordet worden, als Ben sich auf den Weg zu Benellis Villa
gemacht hatte, um dort herauszufinden, was sich hinter »Lukas« verbarg.
Ben würgte, rappelte sich auf und schaffte es gerade noch rechtzeitig
zum Badezimmer, um dort sein Frühstück loszuwerden. Als er sich
wieder im Griff hatte und benommen ins Wohnzimmer zurückkehrte,
hielt Rinaldo die Zeitung mit dem aufgeschlagenen Artikel in der Hand.
»Sie wissen etwas darüber?«, fragte der junge Pater.
Ben nickte. »Ich fürchte, ja. Am besten, Sie bringen mich gleich zu
Kardinal Ciban.«
42.
Leos aschfahles Gesicht glich einer Maske starren Schmerzes. Trotz der
immensen Energiezufuhr durch Catherine und Benelli bedurfte es all
seiner mentalen Energie und Disziplin, den quälenden Moment des
Sterbens über sich ergehen zu lassen. Stunden schienen darüber zu
verstreichen, doch er wusste, es dauerte nur wenige Augenblicke, bis
dem tiefen Schmerz des Sterbens die Stille des Todes gefolgt war.
Ein weiteres Mitglied des Gremiums war ermordet worden, allerdings
hatte Leo keine Ahnung, wer das jüngste Opfer war. Er spürte lediglich
den Pfahl im Fleisch und die Tortur in der Seele, erlitt aber dank der
energetischen Transfusion keinen erneuten Zusammenbruch. Da er sich
zudem gerade in seinen Privaträumen aufgehalten und nach seinem
offenbar verlegten Tagebuch gesucht hatte, war niemand Zeuge der
Attacke und seiner Verwirrung geworden.
Es klopfte an die Tür. »Heiligkeit?«
Der Papst erkannte die Stimme sofort. Schwester Catherine. Wie es
aussah, hatte sie seinen Anfall über das Band, das Benelli zwischen
ihnen beiden hergestellt hatte, wahrgenommen. Wenn das der Fall war,
dann wusste sie vermutlich nun auch über seine mentale Abhängigkeit
von den Mitgliedern des Gremiums Bescheid, über seinen körperlichen
wie mentalen Entzug, den Benellis und ihre Energie wie eine Art
Ersatzdroge linderten.
Leo rief die junge Frau herein, und er sah in ihren Augen, dass sie sich sorgte und selbst ziemlich verwirrt war. Konnte es sein, dass sie nicht
nur seine Verwirrung und Schwäche, sondern auch das Sterben und den
Tod gespürt hatte? Er wusste, dass der Tod in der Materie nicht das Ende war, dennoch war die Begegnung damit jedes Mal ein einschneidender
Schock für ihn. Als Catherine sah, dass er wohlauf war, wichen die
Sorge und Verwirrung in ihren Augen Erleichterung.
»Ein weiterer Mord, Heiligkeit?« Sie hatte die Tür geschlossen und war
auf ihn zugetreten.
Leo nickte. Wie gefasst sie trotz allem wirkte. Er selbst verspürte,
ungeachtet seiner nach außen zur Schau getragenen Ruhe und Erfahrung,
ein ziemliches Chaos in seinem Inneren. »Es scheint, als wollte unser
Gegner das gesamte Gremium ausrotten.«
Catherine musterte den Papst unauffällig. Das gesamte Gremium?
Benellis Worte in der Kapelle kamen ihr wieder in den Sinn, dass
Schwester Isabella und Pater Sylvester einer dem Papst ganz besonders
verbundenen Gemeinschaft angehört hatten. Ebenso fiel ihr das
Gespräch mit Leo und Ciban wieder ein, als sie dem Papst im Beisein
des Präfekten von dem Auftrag des toten Kardinals berichtet hatte. Doch
wie es aussah, gedachte der Papst in diesem Moment nicht, weiter auf
das Gremium einzugehen.
Wenigstens machte der Papst einen relativ gefassten Eindruck auf sie
und wirkte insgesamt stabil, obwohl in einem Teil seiner Seele eine
ziemliche Konfusion herrschen musste. Gleichzeitig spürte sie den
Energiesog, der in unsichtbaren Wellen und Teilchen von ihr zu ihm
floss. Sie fragte sich, ob sie den Sog sehen würde, wenn sie sich
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