Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
den Fußspuren auf der
gegenüberliegenden Seite zurück und setzte die Beine auf die Stelle mit
den Abdrücken. Sie passten exakt hinein. Dann entdeckte er, dass es
neben diesen Abdrücken ein zweites, viel kleineres Paar Fußspuren gab.
Er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Wie es aussah, hatte der
Mörder Schwester Silvia in der Kirche betäubt und dann hierher
verschleppt. Doch warum hatte er die Spuren hier unten nicht einfach
verwischt? War er sich so sicher gewesen, dass sich niemand mehr an
den Geheimgang erinnerte? Oder hatte er die Kirche nach der Tat
einfach durch den Haupteingang verlassen?
»Hier auf dem Boden sind Kerzenreste«, stellte die Missionarin fest.
»Ich frage mich, wo der Täter all die Kerzen herhatte.«
Ben nickte ihr zu. Schwester Bernadette traf mit ihrer Frage ins
Schwarze. Sie blickten sich um, gingen die Kisten in dem schwachen
Kerzenlicht ab, doch keine einzige schien auf den ersten Blick offen.
Schließlich trat er an eine der auf dem Boden liegenden Kisten heran und hob den halb verrotteten Holzdeckel an. Kaum dass er dies getan hatte,
brach das Holz auseinander, und Dutzende Kerzen rollten über den
Boden.
»Womit zumindest schon mal diese Frage geklärt wäre«, meinte
Schwester Bernadette, zündete einige davon an und sorgte für mehr
Licht.
Sie suchten den Raum weiter ab, und als sie nichts fanden, liefen sie
langsam den hinteren Gang entlang.
»Keine Fußspuren«, sagte Ben leise und ging voraus. Ein halbwegs
frischer und lauer Luftzug wehte ihnen entgegen, der mit jedem Meter,
den sie voranschritten, weniger stickig roch. Der Weg führte sanft nach
oben, und Ben musste darauf achten, dass der Luftzug seine Kerze nicht
ausblies. Kurz darauf erreichten sie eine mannshohe, schwere, nicht ganz dichte Holztür, die verschlossen war.
»Ich bin mir nicht sicher«, erklärte Schwester Bernadette, »aber ich
schätze, dass wir uns auf der anderen Seite des Marktplatzes befinden, in einem der Hinterhöfe. Es gibt einen alten Grundriss der Kirche.
Womöglich ist der Gang darauf erfasst. Pater Raj lässt uns gewiss einen
Blick darauf werfen.«
»Danke, Schwester. Doch wie es aussieht, ist der Mörder nicht hier
durchgegangen. Sehen Sie die Spinnweben? Diese Tür hat seit Jahren
keiner mehr geöffnet.«
Sie kehrten zum Gewölberaum zurück und löschten die brennenden
Kerzen, die sie dort zurückgelassen hatten. Ben wollte sich gerade
enttäuscht zur Treppe umdrehen, als sein Blick auf etwas fiel, das am
Boden zwischen zwei Kisten lag. »Ich glaube, da ist etwas, Schwester.«
Die Missionarin beugte sich mit ihrer Kerze vor, folgte seinem Blick und hob eine Augenbraue. »Eine Zigarettenkippe …«
Ben nickte. »Es sieht nicht so aus, als ob die Kippe schon länger hier
unten liegt.« Er schob die kleinere der Kisten beiseite, griff in das Innere seiner Jacke, zog einen Plastikbeutel hervor, ging in die Knie und
bugsierte den Fund hinein, ohne ihn zu berühren.
Schwester Bernadette schluckte. »Sie denken, Schwester Silvias Mörder
hat hier eine Zigarettenpause gemacht?«
»Das hoffe ich. Denn wenn dem so ist, hätten wir jetzt seine
Zigarettenmarke und vermutlich auch seine DNA.«
Sie stiegen die Steintreppe hinauf und kehrten zum Eingangsbereich der
Kirche zurück. Wie es aussah, hatte Pater Raj sich die ganze Zeit nicht
von der Stelle gerührt.
»Und?«, fragte der Pater.
Ben zeigte ihm den Plastikbeutel. »Irgendjemand war vor kurzem dort
unten. Außerdem stehen da ein paar Kisten herum, deren Inhalt Sie sich
bei Gelegenheit einmal näher anschauen sollten.«
Pater Raj nickte. »Ich werde einen meiner Helfer darum bitten. Ich selbst halte es in engen und dunklen Räumen nicht so gut aus.«
»Verstehe. Schwester Bernadette sagte, es gebe vom Untergrund der
Kirche einen Plan?«
»Vom Geheimgang?«
»Ja.«
Pater Raj wirkte leicht beschämt, weil er nicht schon früher daran
gedacht hatte. »Den hat es in der Tat gegeben. Ich werde sehen, ob ich
ihn noch finden kann. Falls nicht … das Erzbistum müsste noch eine
Kopie des Grundrisses haben. Am besten, ich gebe Ihnen Bescheid.«
»Gut, Pater. Wir kehren nach Shanti Nagar zurück. Vielleicht gibt es
inzwischen Neuigkeiten über den Verbleib des Leichnams. Würden Sie
uns bitte ein Taxi rufen?«
Der Geistliche zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Der
Stromausfall ist leider noch nicht behoben. Aber ich werde einen meiner
Helfer losschicken, um Ihnen ein Taxi zu
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