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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ein wenig, dass Leanders Stimme so tief und brummbärig geworden war, doch das war im Moment mein kleinstes Problem. Ich wollte seiner Aufforderung, zu ihm und Johnny Depp auf Chantal zu steigen, ja gerne nachkommen, doch mir fehlte die Kraft, Anlauf zu nehmen und mich auf ihren Rücken zu schwingen. Ich hatte Hunger und Durst und vor allem trug ich einen Rock, in dem ich mich kaum bewegen konnte, geschweige denn, dass ich in ihm auf ein Pferd springen konnte, das bereits von zwei Männern belagert war – sahen die das denn nicht? Und trotzdem war ich so froh, bei ihnen zu sein, denn jetzt würde alles …
    »Luzie. Ich weiß, dass du müde bist, aber Shima will dich prüfen.« Shima!? Von einer Shima hatten weder Leander noch Johnny gesprochen. Eine Shima gehörte nicht in diesen Traum.
    »Ach, verdammt«, stöhnte ich missmutig und rieb meine geschlossenen Augen. Ich wusste nicht, wie ich es fertigbringen sollte, sie zu öffnen und vor allem dauerhaft offen zu lassen. Ich war krank vor Müdigkeit und ich wollte zurück in diesen idiotischen Traum. Ich wollte zu Leander. Aber genau deshalb musste ich mich aus dem Traum verabschieden. Denn Shima war der Schlüssel zu Le Plan-de-la-Tour.
    »Komm, Luzie. Shima wartet nicht gerne.« Das nun war Sunis Stimme gewesen. Halb blind vor Müdigkeit richtete ich mich auf und torkelte durch den Wohnwagen, ohne Serdan anzuschauen, da er mich mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls nicht anschaute, sondern Sunis bloße Schultern begutachtete.
    Ich stolperte blinzelnd die Stufen hinunter auf den staubigen Asphalt des Rastplatzes und blieb sonnengeblendet stehen. Langsam hatte ich genug von der ständigen Hitze. Doch Suni ergriff meine Hand und zog mich unerbittlich weiter, an Wohnwagen und parkenden Lkws und schnatternden Menschen vorbei, bis sie plötzlich im Schatten eines verdorrten Baumes haltmachte und mir aufmerksam ins Gesicht sah. Neben uns lärmte der Verkehr der Autobahn und es roch nach Kanalisation und nassem Papier. Was aber noch viel mehr auf mir lastete, waren all die unsichtbaren Blicke der anderen, die ohne Unterlass über meine Gestalt wanderten, seitdem ich Sunis Wohnwagen verlassen hatte. Sie beobachteten mich. Nicht nur Shima würde mich prüfen. Sie alle taten es, jetzt schon.
    »Haltung bewahren, egal, wo du bist und wer vor dir steht«, hatte Mama mir immer eingetrichtert. Entschlossen straffte ich meinen Rücken, nahm die Schultern zurück und hob das Kinn. Die sollten bloß nicht glauben, dass sie mir Angst einjagen konnten.
    »Ich muss dich noch etwas fragen, Luzie«, begann Suni in gedämpften Tonfall. »Es ist wichtig für uns und vielleicht fragt auch Shima dich danach. Sind deine Eltern Krankenpfleger? Altenpfleger? Ist deine Mutter eine Hebamme? Oder Ärztin?«
    Ich lachte trocken auf. Mama als Ärztin – das wäre eine Gefährdung für jeden Kranken.
    »Nein. Wieso? Meine Mutter ist Gymnastiktrainerin, sie war früher Leistungssportlerin.«
    Suni atmete sichtbar auf. Ein verschmitztes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Und dein Vater?«
    »Bestatter«, antwortete ich schlicht. Doch dieses eine Wort reichte aus, um schlagartig die Farbe aus Sunis gebräunten Wangen weichen zu lassen. Für einen kurzen Augenblick war sie aschfahl. Diese Reaktionen waren mir vertraut.
    »Ist nicht so schlimm«, beruhigte ich sie. »Ich war sogar schon ab und zu dabei, wenn er die Toten herrichtet. Wusstest du, dass sie manchmal pupsen, obwohl sie …«
    »Nicht, Luzie, sag nichts mehr!« Suni legte mir warnend die Hand auf den Arm. »Das ist mahrime!«
    »Mahrime?«, fragte ich verständnislos. »Nie gehört.«
    »Unrein. Mahrime bedeutet unrein. Der Beruf deines Vaters ist unrein. Nicht so schlimm wie Hebamme oder Arzt oder Altenpfleger, aber es ist unrein.«
    »Na ja. Papa wäscht sich anschließend immer die Hände, mit Desinfektionsmittel«, wandte ich ein, doch Suni schüttelte heftig den Kopf.
    »Das ist egal«, zischte sie, ein Geräusch wie raschelndes Papier im Wind. »Es ist uns verboten, Kontakt mit Menschen aus unreinen Berufen zu haben. Wer sich mit ihnen anfreundet oder gar jemanden von den Mahrimen heiratet, wird ausgestoßen, für immer!«
    »Das verstehe ich nicht. Wenn ihr krank seid, geht ihr dann nicht zum Arzt? Bestatten lasst ihr euch außerdem auch. Ihr trefft euch sogar zu Familienfeiern auf dem Friedhof! Ich kenne die Sinti- und Roma-Gräber, Papa findet sie toll, er bewundert sie. Er hat mir viel davon erzählt.«
    »Natürlich lassen wir uns

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