Luzifers Kriegerin (Die Londoner Drakulia Vampire #3) (German Edition)
konnte.
Ihren Bruder derart angebunden zu sehen, war für Narcise ein schockierender Anblick – grauenerregend, um genau zu sein – und auch sehr beunruhigend: einen Mann zu sehen, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte. Einen solchen Mann hier jetzt derart brutal unterworfen, so absolut hilflos zu sehen.
In seiner Funktion als Henker hatte Chas sich um die Vorbereitungen gekümmert, und jetzt stand er auf einer Seite des Zimmers und spitzte einen lange Holzpfahl, eigentlich eine Pike. Das Holz sah todbringend und grausam aus, und Narcise musste unwillkürlich schaudern. Giordan, der sie begleitet hatte, trug ebenfalls einen angespannten Gesichtsausdruck bei all dem zur Schau.
Schon bald wäre sie von ihrem Bruder erlöst, und auch von der Bedrohung, die er für sie und die übrige Welt darstellte. Und dann könnte sie den Rest ihres Lebens ohne Furcht leben.
„Narcise“, sagte ihr Bruder von seiner gefesselten Position aus.
Es war das erste Mal, dass er seit den gestrigen Ereignissen zu ihr sprach.
Sie ging zu ihm hin und kam vor ihm zum Stehen, und dort sah sie, wie klar und fest sein blaugrauen Augen sie anschauten. Sie saugten sich an ihr fest, und sie fühlte unbändigen Hass und Ekel für diesen Mann in sich aufsteigen, der ihr so viele Jahre ihres Lebens geraubt hatte. Ja, er hatte ihr die Unsterblichkeit verschafft – alles in allem, kein willkommenes Geschenk – und er hatte ihr so vieles andere geraubt: ein normales Leben. Familie. Den natürlichen Kreislauf von Leben und Lieben und Sterben.
Den Mann den sie liebte ... oder versuchte zu lieben ... für über zehn Jahre, einfach geraubt.
„Bist du gekommen, mir Lebewohl zu sagen?“, fragte Cezar. „Oder um mich zu verhöhnen? Ich muss dir gratulieren, Narcise. Du hast mich endlich besiegt.“
„Ich hielt es nur für höflich, dir adieu zu wünschen“, erwiderte sie und war sich bewusst, dass Chas ihr Gespräch auch hörte. „Und um sicherzugehen, dass dieses Urteil auch vollstreckt wird. Ich bedauere, dass unser Wiedersehen nur von so kurzer Dauer war, du hattest sicher auf etwas Längeres gehofft. Aber ich bedauere es nicht, dass von dir keine Kinder mehr ausgesaugt werden.“ Und du wirst nicht mehr am Leben sein, um mich zu quälen.
Sein Gesicht veränderte sich, während er sie so betrachtete, und sie sah etwas in seinen Augen aufflackern. Nicht Furcht, nicht Wut ... vielleicht etwas in der Art eines Bedauerns. „Alles was ich getan habe, war nur, dich zu bewundern, Schwester.“
„Bewundert und auch beherrscht“, rief sie ihm ins Gedächtnis zurück. „An den Meistbietenden oder an die stärkere Klinge verschachert. Was für eine Bewunderung.“
„Wie sonst hätte ich dich bei mir behalten können“, fragte er. „Bei der ersten Gelegenheit, die sich dir bot, wärst du ja fortgegangen. Ich wollte dich um mich haben. Immer. Für immer. “
„Das wäre dir auch beinahe gelungen“, sagte sie, wobei ihr Hals sich wieder zuschnürte. „Was ist dir nur geschehen, mein Bruder? Wie bist du nur zu dem hier geworden? Du warst früher so ... lieb ... mir in Liebe zugetan.“
Für einen kurzen Augenblick bröckelte seine Fassade, und sie sah den wahren Cezar: einen verängstigten, unsicheren Man, voller Selbsthass. „Ich konnte nicht den finden, der ich wirklich war“, sprach er. „Ich konnte nicht hinnehmen, wer ich war.“
Aber gleich darauf war dieser zerrissene Gesichtsausdruck auch wieder verschwunden, und er setzte eine hochmütige Miene auf und erdolchte sie mit kalten Augen. „Ich hätte du sein sollen. Ich wollte du sein, Narcise. Immer geliebt, immer verhätschelt und von allen angebetet ... vollkommen an Gestalt und Aussehen. Eine Frau ohnegleichen.“
Das Herz hämmerte ihr, und Narcise bemerkte, dass Giordan jetzt neben ihr stand, ihr seine Hand unten auf den Rücken gelegt hatte. Zum Trost und als Stütze.
„Du hast immer all die Männer gehabt“, fuhr ihr Bruder fort. „Sie haben dich geliebt und begehrten dich. Immerzu. Und ich konnte auch verstehen, warum. Ich habe dich bewundert ... dich sogar geliebt ... aber ich wollte deinen Platz einnehmen.“ Cezars Aufmerksamkeit kam kurz auf Giordan zu ruhen, der hinter ihr stand. Ein Aufblitzen von Bedauern und Bewunderung war da in seinen Augen zu sehen, und seine Lippen pressten sich zusammen, zu einem Lächeln, das nichts Komisches an sich hatte. „Und dann kam er, und ich wusste, ich würde ihn an dich verlieren. Und so war es auch. Du warst“, sagte
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