LYING GAME - Mein Herz ist rein: Band 3 (German Edition)
Irgendetwas an der Situation kam mir sehr bekannt vor. Wie oft hatten meine Eltern wohl schon versucht, Laurel und mich dazu zu zwingen, miteinander auszukommen? Wir mussten einmal ein sehr gutes Verhältnis zueinander gehabt haben – ich erinnerte mich dunkel daran, wie wir in den Ferien gemeinsam unseren Eltern nachspioniert hatten, im Keller ein Spiel namens Runway Model spielten, das ich erfunden hatte, und ich Laurel beibrachte, wie man einen Tennisschläger hält und an seiner Rückhand arbeitet. Aber im Lauf der Jahre war irgendetwas geschehen. Ich hatte begonnen, Laurel wegzustoßen. Möglicherweise aus Neid – Laurel war das leibliche Kind meiner Eltern, während ich adoptiert war. Vielleicht hatte Laurel nur auf mein abweisendes Verhalten reagiert, und das Ganze hatte sich so hochgeschaukelt, dass wir manchmal wochenlang nicht miteinander sprachen.
Fünfzehn Minuten und null Gespräche später fuhr Mr. Mercer über eine Bodenwelle auf den Parkplatz der Hotelanlage und stellte den Motor ab. Eine kleine Grotte, vor der ein Felsbrocken mit der Inschrift Arturo’s stand, war mit Lichterketten beleuchtet. Vor dem Eingang redete ein Mann mit Geschäftsanzug und Aktentasche mit seinem BlackBerry. Neben ihm stand eine Frau, die an ihrem blonden Haar herumfummelte. Zwei Kellner in dunklen Hosen und gestärkten weißen Hemden machten neben einem dürren Kaktus eine Zigarettenpause.
Emma folgte Suttons Familie eine steinerne Treppe hinauf, die in einen Garten führte, in dem winzige gelbe und violette Blumen blühten. Drinnen waren die Fenster in den Adobemauern von dickem dunklem Holz eingerahmt. Freigelegte Deckenbalken erstreckten sich über ihnen und aus versteckten Lautsprechern erklang leise klassische Musik.
Der Speisesaal war bis auf wenige Tische besetzt und zwischen den Gästen huschten Kellner mit Tellern voller lecker aussehender Lammrücken, Steaks und Hummer umher.
Der Oberkellner, der einen dunkelgrauen Anzug und einen dünnen Oberlippenbart trug, überprüfte ihre Reservierung und führte sie zu ihrem Tisch. Auf dem Weg durch den Saal ging Emma noch gerader als sonst. Sie fühlte sich hier fehl am Platz.
»Wie schön«, schwärmte Mrs. Mercer, als sie Platz genommen hatten. Sie nahm die kartonierte Weinkarte in die Hand und studierte sie aufmerksam. »Stimmt’s, Mädels?«
Emma murmelte Zustimmung. Aber Laurel hatte den Blick auf etwas – auf jemanden – auf der anderen Seite des Saals gerichtet. »Ich glaube, du bekommst gleich Besuch, Sutton«, sagte sie boshaft.
Emma schaute gerade rechtzeitig auf, um einen Jungen mit kantigem Kiefer und kurzem blondem Haar auf sich zukommen zu sehen. Ihr Magen hob sich. Es war Garrett, Suttons Ex. Und er wirkte nicht gerade glücklich.
»Hallo, Garrett«, sagte Mrs. Mercer schnell und schaute Emma besorgt an. Emma rutschte auf ihrem Sitz hin und her. Sie hatte Suttons Dad gesagt, dass sie nicht mehr mit Garrett zusammen war, und er hatte es zweifelsohne ihrer Mom erzählt. Was die beiden nicht wussten, war, dass er Emma am Freitag beim Schulball in einen Besenschrank gezerrt hatte. Und dort ziemlich … grob geworden war.
»Hallo, Mrs. Mercer. Mr. Mercer.« Garrett nickte Suttons Eltern höflich zu. Dann wandte er sich an Emma. »Kann ich kurz mit dir reden?« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des schmalen Flurs, der zu den Toiletten führte. Offensichtlich also unter vier Augen.
»Äh, ich bin mit meiner Familie hier«, sagte Emma und rückte ein bisschen näher an Suttons Mom. »Wir wollten gerade bestellen.«
»Ich wollte dich nur was fragen«, sagte Garrett. Seine Stimme klang freundlich, aber seine Augen wirkten kalt und berechnend. Plötzlich wusste Emma, worum es hier ging. Er hatte mit Sicherheit gehört, dass Thayer in Suttons Zimmer eingestiegen war. Garrett war geschockt gewesen, als Emma mit ihm Schluss gemacht hatte, und er war überzeugt gewesen, dass Emma heimlich einen anderen hatte. Bestimmt würde er Emma beschuldigen, mit Thayer hinter seinem Rücken eine Affäre gehabt zu haben – und vielleicht hatte Sutton das ja auch getan.
Ich betrachtete Garretts Hemd und seine Kakihosen und erinnerte mich dunkel daran, dass wir viel Spaß miteinander gehabt hatten. Wir waren gewandert, hatten Radtouren gemacht und im Park gepicknickt. Ich war sicher, dass ich einmal überglücklich darüber gewesen war, mit ihm zusammen zu sein. Warum hatte ich mich dann schließlich doch für Thayer entschieden?
Ich dachte wieder an die
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