Lynne Graham
verlieh. Sie hatte unterschrieben, dass sie sich nicht in Callies Erziehung einmischen würde. Jäh wurde ihr klar, wie schwierig es werden würde, sich um Callie zu kümmern, wenn sie sich an seine Regeln halten musste.
„Hier sind wir wichtiger, nicht das Kind. Du wirst sie nicht zwischen uns kommen und Uneinigkeit säen lassen.“
Sie wollte ihm sagen, wie eigennützig und unvernünftig er war, aber sie wagte es nicht. Schließlich hatte er ihr gerade noch einmal ihre Grenzen aufgezeigt. Seit zweiunddreißig Jahren tat Aristandros Xenakis genau das, war er wollte. Wie kam sie auf die Idee, sie könnte ihn ändern?!
Die Atmosphäre war so angespannt, dass ihr ein leichter Schauder über den Rücken kroch. Sie wandte sich zum Gehen.
„Wohin willst du?“
Gänsehaut lief über ihre Arme. „Ich … ich muss etwas zum Anziehen für heute Abend heraussuchen.“
„Unnötig. Noch besitzt du nicht die passende Garderobe. Mein Personal in Paris wird eine Auswahl von Kleidern für dich besorgen, und das Mädchen hier wird deine Sachen für dich packen. Du hast also im Grunde nicht viel zu tun.“
Ella drehte sich wieder zu ihm um. „Manchmal machst du mir Angst …“ Sie bereute die Worte, kaum dass sie ihr über die Lippen geschlüpft waren, doch es war die reine Wahrheit.
Aristandros legte den Bericht ab und richtete sich auf. „Das will ich aber nicht.“ Ella presste die zitternden Lippen zusammen. „Ich kann es nicht ändern, wenn ich so fühle.“
„Du bist eine der stärksten Frauen, die ich kenne“, sagte er.
Aber er machte sie zu einem Feigling, weil sie so viel zu verlieren hatte, wenn sie offen zu ihm sprach. Jetzt nahm er ihre Hand und zog Ella zu sich heran. Den Kopf stolz und herrschaftlich gerade gehalten, verschränkte er ihrer beider Finger miteinander.
„Wenn es dir so wichtig ist, bemühe ich mich mehr um Callie.“ Zögernd presste er die Lippen zusammen, was eine völlig untypische Geste für ihn war. „Ich weiß aber nicht, wo ich anfangen soll“, gab er zu. „Meine eigene Kindheit war nicht unbedingt das, was man konventionell nennt.“
Ella war klar, dass dieses Eingeständnis ein Riesenschritt für ihn war. Und sie freute sich über jedes Entgegenkommen von seiner Seite. Dennoch war sie nach wie vor verspannt, und ihre Hand bebte leicht in seiner. „Ich weiß“, flüsterte sie, denn seine unruhige Kindheit bei Eltern, die ständig im Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden hatten, war ausführlich von sämtlichen Gesellschaftsmagazinen dokumentiert worden.
„Das Erste, an was ich mich erinnern kann, ist, wie mein Vater meine Mutter anschrie, nachdem ich als Kind fast im Pool ertrank. Die beiden waren entweder betrunken oder sonst wie berauscht.“ Er zuckte die Schultern, und sein Blick wurde leer. „Sie waren so damit beschäftigt, sich zu streiten, dass sie mich auf der Terrasse abgesetzt und vergessen haben.“ Er sah zu Ella. „Ich weiß auf jeden Fall, was man mit einem Kind nicht macht.“
„Da bin ich sicher“, stimmte sie zu. „Als Kind ist es schrecklich beängstigend, einen Streit zwischen Erwachsenen zu sehen. Als ich zum ersten Mal miterlebt habe, wie Theo meine Mutter schlug, dachte ich, das Ende der Welt sei gekommen …“ Zu spät wurde ihr bewusst, was sie preisgeben hatte. Entsetzt über ihre Dummheit, verstummte sie abrupt.
Aristandros kniff voller Argwohn die Augen zusammen. „Sag das noch mal – dein Stiefvater schlägt deine Mutter?“
Sie konnte nicht glauben, dass ihr das tatsächlich entschlüpft war. „Ich möchte nicht darüber reden. Ich hätte es nicht erzählen sollen.“
„Aber nun hast du es getan.“ Mit einer Fingerspitze hob er ihr Kinn an. „Theo Sardelos ist ein gewalttätiger Ehemann?“
Ella war bleich wie eine Wand. Die altbekannte Scham, die sie nie hatte abschütteln können, überfiel sie. „Inzwischen passiert es bestimmt nicht mehr so oft wie früher … hoffe ich“, flüsterte sie tonlos. „Aber ich habe schon lange keinen Kontakt mehr zu ihnen, genau kann ich es nicht sagen.“
„Hat er auch dich geschlagen?“
„Nein, nur meine Mutter. Schade, dass er vor der Heirat keinen Vertraghat aufsetzen lassen, so wie du. Obwohl … Ich bin mir nicht sicher, ob meine Mutter unterschrieben hätte, wenn sie vorher gewusst hätte, was ihr bevorsteht.“
„Was meinst du damit?“
„Deshalb hat er damit angefangen … weil sie sich beklagte, als er nachts nicht nach Hause kam. Er hat ständig außereheliche
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