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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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mehr gab. Er betrat L 'Histoire und erblickte die Plantage, die Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Jahren nur ein Märchen aus Mythen gewesen war. Die schlafenden Körper der Menschen bedeckten den Boden wie gelbes Gras, bevor es zur Windhexe wird. Totenmoos wehte überall, bedeckte die Hütten und das Haus wie ein Leichentuch.
    Er beachtete die Schlafende nicht, weil er das Bild aus seinem wunden Herzen in den Händen hielt. Er betrat das Haus, seine Schritte kannten den Weg. Er stieg die Treppe hinauf, öffnete die Tür zu dem Zimmer, in dem er sich selbst Dort verharrte er.
    Betrachtete sie, Jenny, schlafend, mit Haaren, die blond waren wie die ihrer Mutter.
    Sunny, sang es von irgendwo her.
    Danny fragte sich, wo er war. Er berührte die schlafende Jenny, doch als er dies tat, löste sie sich in Luft auf.
    Ein Kreischen erfüllte plötzlich die Luft.
    Danny starrte auf das Bett, das nun leer war. Und eine Gewissheit, die nagend wie Gift war, befiel sein Herz: Er hatte versagt. All die Jahre war er gewandert, nur um diesen Ort zu finden. Doch was er gefunden hatte, war nur Staub und Sand, nichts sonst.
    War dies etwa der Sinn seines Lebens?
    Die Frage kratzte ihm das Herz entzwei.
    War er deshalb hier?
    Um Staub, Sand und Leere zu finden?
    Müde verließ er L 'Histoire und vergaß, was noch an Erinnerungen in ihm gewesen war.
    Er irrte durch die Sümpfe, nur ein Schatten seiner selbst. Und wie jeder Mensch, der zu einem Schatten seiner selbst wird, begann auch Danny Darcy zu verblassen. Seine Haut wurde durchsichtig, die Zähne fielen ihm aus, das Haar wurde schütter.
    Doch etwas war noch in ihm. Eine Melodie, die ihn vorantrieb, auch wenn er bereit war zu sterben.
    Da war ein Name, dessen Klang ihn erfreute.
    Sunny.
    Ein beschwingter Name, der ihn lächeln ließ, wenngleich jetzt auch das Lächeln schmerzvoll war.
    Fieberträume befielen ihn. Er träumte von einem Vogelritter, der sein Leben mit der Suche nach einem Kelch vertat. Durchlebte Erinnerungen an die letzten Jahre, die er einsam im Sattel verbracht hatte. Er war gealtert und würde im Sarg heimkehren, wie so viele vor ihm, die Abenteuer hatten erleben wollen.
    Die Welt wurde ein Glutofen. Sein Leben war Feuer.
    Blutegel klebten an ihm und saugten sich satt. Wenn er schlief, kamen Wespenkinder und legten ihm Eier unter die Haut. Er spürte es kaum, doch er wusste, dass sie bald schlüpfen würden. Er torkelte durch den Sumpf und mied die Stellen, an denen Alligatoren hausten. Giftiger Efeu streifte sein Gesicht.
    Ja, so würde es enden.
    Sein halbes Leben hatte er mit der Suche nach der Lyra verbracht. Und er hatte versagt.
    Irgendwann, Blitze zuckten über den Himmel, sank er zu Boden. Nur noch die Augen schließen, das war alles, woran er dachte.
    Er hörte ein Kreischen.
    Wie von einem riesigen Vogel, so schrill und harsch.
    Er richtete sich mühsam auf.
    Etwas flog suchend über das Land, tauchte alles, was Sumpf war, in kalte Schatten.
    Danny strauchelte, rannte weiter. Panik erfüllte ihn. Es war das dumpfe Gefühl, das die Beute verspürt, bevor sie vom Jäger erlegt wird. Gestrüpp steifte ihn, Dornen zerkratzten ihm die Haut, doch er rannte weiter.
    La Maison Rouge.
    Etwas in ihm erwachte, weil der riesige Vogel dort oben eine Melodie kreischte.
    Ich sagte dir, dass du mich findest.
    Wer hatte das zu ihm gesagt?
    Und wann?
    Das Kreischen wurde lauter.
    Er wird mich fressen, dachte Danny. Ich werde hier in den Sümpfen sterben, und niemand wird davon erfahren, weil es nicht wirklich ist, ja, weil es nur eine Vision ist, ein Traum, ein dummer Zufall, ein Spiel, auf das ich mich niemals hätte einlassen müssen. Ich werde hier verenden, allein, und in der Zukunft, wenn ein anderer Traumwanderer sich in diese Gegend verirrt, dann wird er mich entdecken, wenn er auf meine verrotteten Knochen pisst, und sich fragen, ob ihm das gleiche Schicksal blüht.
    Im Blätterwerk über ihm rauschte es.
    Hungrig. Wütend.
    Was auch immer. Danny stolperte vorwärts. Sunny.
    Er erinnerte sich wieder. Er stürzte.
    Sah sein Gesicht, wie es sich im Wasser spiegelte. Er war ein alter Mann, der Bart grau und die Augen ohne Glanz. Das Haar hing ihm bis zur Schulter, grau und wie sprödes Gestrüpp.
    Bald würde er sterben.
    Sunny!
    Er hatte eine Frau. Für sie war er losgezogen. Sunny!
    Er hatte sie verloren. In einem Haus, das aussah wie L 'Histoire, nur anders. Es war auch in den Sümpfen. La Maison Rouge.
    Die Sirenen waren dort, ja, alles fiel ihm wieder ein,

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