M A S H 02 - in der Heimat
Klapperkiste vor dem Allgemeinen Krankenhaus von Spruce Harbor vorfuhren. Der Elch ließ die mächtigen Schultern hängen. Sein Gang war unsicher. Martha und der junge Jonas stützten ihn. Ich war betroffen. Das sieht nicht gut aus, dachte ich mir.
Ich ging ihnen zum Tor entgegen. Dabei durchzuckte mich plötzlich die Erkenntnis: Dieser Mann ist praktisch ein zweiter Vater für dich. Du wohnst keine Meile von ihm entfernt. Du hast gewußt, daß er krank ist und hast dich ein halbes Jahr nicht um ihn geschert.
Unterwegs griff ich mir einen Rollstuhl und wartete am Eingang. Der Elch grinste mich an und zwinkerte mir zu. Mit mächtiger Umarmung drückte er mich an sich. Dann setzte er sich in den Rollstuhl und fragte: »Wie geht’s dir, Hawkeye?« Das Lied des Elchs hatte seine Resonanz verloren. Die Stimme klang heiser und krächzend. Sie war kaum noch Stimme zu nennen.
Ich sah den Knoten an seinem Hals. Die Geschwulst, der rasselnde Atem und die Heiserkeit verhießen nichts Gutes. Es ist mein Beruf, vom Unglück anderer zu leben. Ich bemühe mich um eine philosophische Einstellung. Ich kann mir nicht gestatten, meine Diagnose oder Operationen von Gefühlen beeinflussen zu lassen. Aber als ich die Stimme des Elchs hörte und die Geschwulst an seinem Hals abtastete, überfiel mich sekundenlang lähmendes Entsetzen.
Ich schob seinen Rollstuhl in den Operationssaal und sagte dem Elch, daß ich seinen Kehlkopf und die Luftröhre unter Lokalanästhesie untersuchen wolle. Die Diagnose war einfach. Die Probeexzision ergab einen Luftröhrenkrebs mit Metastasen an der rechten Halsseite.
Mancher Thoraxchirurg stößt sein Leben lang auf keinen Fall von Luftröhrenkrebs. Ich mußte einem bei Elch Lord begegnen. Nach der Bronchoskopie lief ich minutenlang ziellos durch die Gegend. Der Elch, Martha und ihr Ältester saßen in meinem Sprechzimmer und warteten auf mein Urteil. Ich trat ein, setzte mich und sagte: »Seit wann geht das schon? Elch?«
»Ein Jahr ungefähr, Hawkeye.«
»Warum hast du mich nicht verständigt?«
»Hab’ mir anfangs nichts dabei gedacht.«
»Warum warst du nicht beim Arzt?«
»War ich. Vor zwei Monaten. Er hat mir eine Medizin gegeben. Aber sie hat mir nicht geholfen.«
Dabei lag die ganze Zeit über unverändert das Lächeln auf dem breiten Gesicht des Elchs, und mir war, als zwinkerte er mir mit seinen großen, ratlosen Augen zu.
Ich trommelte mit den Knöcheln auf den Tisch, raffte meinen ganzen Mut zusammen und sagte schließlich: »Elch, es geht dir nicht gut. Du leidest an Luftröhrenkrebs, und er hat bereits den Hals erfaßt. Wahrscheinlich kann man dagegen überhaupt nichts machen, aber wenn, dann wird es eine schwere Operation sein, und die Aussicht auf Heilung ist schwach.«
Die lächelnden Mundwinkel sanken eine Spur ab, und das Zwinkern büßte etwas von seinem Funkeln ein. Ich sah Martha an. Sie sah Jonas an.
Mit seiner krächzenden Stimme meinte der Elch: »Versuch’s Hawkeye; ’s wird dir keiner einen Vorwurf machen, wenn’s nicht gelingt.«
»Du hast eine sehr seltene Krebsart, Elch. Niemand hat große Erfahrung damit. Ich habe keine. In Boston wärst du bedeutend besser aufgehoben. Dort wissen doch einige Leute etwas darüber. Außerdem wirst du auch Röntgenbestrahlungen brauchen. In Boston gibt es Röntgenapparate, hier nicht.«
»Aber du bist mir lieber, Hawkeye.«
»Ich nehme dich jetzt ins Krankenhaus auf, Elch. Besprich dich mit Martha. Ich bin dafür, daß du nach Boston fährst. Oder vielleicht nach New York.«
Nachdem Jonas aufgenommen worden war, fuhr ich nach Crabapple Cove. Ich fuhr zu rasch, wie ein kleiner Junge, der nach Hause läuft, wo er Schutz findet. In Crabapple Cove haben kleine Jungen immer Schutz gefunden, weil dort Elch Lord war. Aber jetzt war er nicht mehr dort. Ich fuhr gleich zum Haus meiner Eltern. Steifbeinig betrat ich die Küche, schob Nichten und Neffen beiseite und erkannte in dem Haufen einen meiner kleineren Brüder.
»Wo ist der Alte?«
»In der Nähe.«
»Such ihn.«
Der Große Benjy wurde aus der Scheune geholt. »Na, so was«, sagte er. »Der Hawkeye.« Er verließ die Küche und brüllte meiner Mutter zu: »Weib, zieh dein Sonntagskleid an! Wir haben einen berühmten Chirurgen zu Besuch.«
Ich muß mir manchen Quatsch von Benjy gefallen lassen. Er ist nur neunzehn Jahre älter als ich und hat mich immer gut behandelt.
»Dad, ich muß mit dir und Mutter sprechen.«
Er trieb die Horde aus der Küche. Mutter kam zu
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