Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
enthielt sich aber jeglichen Kommentars.
„Zu den ‚paar Toten‘, wie du dich ausdrückst, gehört immerhin meine Ehefrau.“ Lord Douglas’ Tonfall wurde schärfer, und Mabel stellte erneut fest, dass das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester nicht so ungetrübt war, wie sie es Außenstehenden glauben machten. „Du brauchst mir nichts vorzumachen, Jane. Ich weiß, du hast Michelle gehasst und für eine Erbschleicherin gehalten. Dabei hast du dir niemals Mühe gegeben, sie richtig kennenzulernen. Für dich galt nur: Blond ist gleich blöd und berechnend. Nun, das Problem löste Michelle selbst. Vielleicht wollte sie nicht mehr leben, weil du ihr das Leben auf Allerby zur Hölle gemacht hast.“
„Hüte deine Zunge, Douglas!“, erwiderte Lady Jane scharf, und ihr Blick ging zu Mabel. „Das ist kein Thema, über das vor dem Personal gesprochen werden sollte.“
Von Lord Douglas’ offenen Worten peinlich berührt, legte Mabel ihre Serviette zur Seite und stand auf. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.“ Sie sah von Lady Jane, deren Wangen sich blutrot gefärbt hatten, zu Lord Douglas. „Ich bin mit dem Essen fertig …“
„Ich ebenfalls“, rief Lord Douglas und bemühte sich, den Rollstuhl vom Tisch wegzuschieben. „Und jetzt möchte ich nach draußen, hier drinnen erstickt man ja beinahe. Miss Mabel, wären Sie so freundlich, mich in den Garten zu fahren? Ich brauche frische Luft.“
„Selbstverständlich.“ Mabel war verunsichert, denn nie zuvor hatte der Captain von sich aus den Wunsch geäußert, das Haus zu verlassen. „Ich hole nur schnell Ihren Mantel und zur Sicherheit zwei Schirme, falls es regnen sollte.“
Mabel war schon an der Tür, als sie hörte, wie Lady Jane zischte: „Dass du mich derart vor dieser Person bloßgestellt hast, werde ich dir nie verzeihen, solange ich lebe nicht.“
„Ach, halt doch den Mund, Jane!“, antwortete Lord Douglas resigniert. „Ich bin es so leid, mir deine dauernden Vorwürfe anhören zu müssen. Michelle hatte schon recht, als sie meinte, dass wir Allerby verkaufen und in ein kleines, gemütliches Cottage ziehen sollten, in dem für dich kein Platz wäre.“
Mabel lehnte sich von außen gegen die Wand, sodass die beiden sie nicht sehen konnten, und spitzte die Ohren. Das war ja höchst interessant und bestätigte einmal mehr, dass Lady Jane allen Grund gehabt hatte, ihre Schwägerin zu hassen und von deren Tod profitierte.
„Diese kleine Hexe hätte es auch beinahe geschafft, mir mein Heim zu nehmen“, erwiderte Jane Carter-Jones gehässig. „Und du hast alles getan, was sie wollte. Warst ja völlig abhängig von Michelle, ihr wahrscheinlich sogar hörig. Nun, ein alter Mann wie du und so ein junges Ding, da weiß man ja, mit welchen Mitteln sie dich um den Finger gewickelt hat.“
„Jane, bitte, du vergisst dich.“ Mabel hörte, wie Lord Douglas ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte. „Wo bleibt denn Miss Mabel? Ich muss hier raus.“
Lady Jane war aber noch nicht bereit, das Thema fallen zu lassen. Ihre Stimme nahm nun einen beinahe weinerlichen Tonfall an, als sie fragte: „Wolltest du das Haus wirklich verkaufen? Wo ich doch alles getan habe, um Allerby zu erhalten! Meine ganze Jugend habe ich geopfert, damit der Besitz nicht unter den Hammer kommt, und noch dazu ein Kind großgezogen.“
„Es ist gut, Jane.“ Offenbar lenkte Captain Douglas ein, denn seine Stimme war nun leise und sanft. „Michelle ist tot, und wir wollen nicht mehr darüber sprechen.“
Mabel hatte genug gehört. Sie beeilte sich, den Mantel und die Schirme zu holen. Auch sie sehnte sich nach diesem Streit nach frischer Luft.
Während Mabel den Rollstuhl durch den Rosengarten und dann über die Wiese zum Wald hin schob, sprachen weder sie noch Lord Douglas ein Wort. Der Captain war sichtlich erschüttert und hielt den Blick gesenkt. Mabel wollte nicht verraten, dass sie den Streit mit seiner Schwester belauscht hatte. Als sie den Waldrand erreichten, hob Lord Douglas plötzlich den Kopf und sah Mabel an.
„Bitte, folgen Sie diesem Weg hier. Ich war lange nicht mehr im Wald … zu lange … Das heißt, wenn es Ihnen keine Umstände macht. Der Weg ist aber gut befahrbar.“
„Selbstverständlich, Captain“, antwortete Mabel, zögerte kurz und fuhr dann fort: „Es tut mir leid, dass das Schicksal Sie nicht gerade gut behandelt.“
„Glauben Sie wirklich an ein Schicksal?“ Lord Douglas sah Mabel mit einem
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