Macabros 016: Geisterheere aus dem Jenseits
verstärkte sich noch, als er die Nachricht
entgegennahm.
»Sie ist tot? Sie liegt am Strand, rund drei Kilometer von La
Grande Motte entfernt? Ich komme sofort!«
Er legte auf. Wie ein Bleigewicht lag seine Rechte auf dem
Hörer.
»Man hat die – Schaustellerfrau gefunden?« brach
Macabros das eingetretene Schweigen und sprach seine Kombinationen
laut aus.
Verdon nickte. »Entweder Sie können hellsehen oder Sie
haben sie selbst umgebracht! Irgendwie paßt nun alles nicht
mehr zusammen.« Er kam um den Schreibtisch herum. Ein kurzer
Blick in die Augen des Mannes, der sich ebenfalls erhob. »Kommen
Sie mit mir! Wahrscheinlich bin ich auch schon verrückt, aber
ich kann mir nicht helfen: Sie gefallen mir!«
*
Routinearbeit am Tatort.
Verdon war zerstreut und nicht ganz bei der Sache. Seine Kollegen
schrieben das der schlaflosen Nacht zu. Der Kommissar war reif
fürs Bett.
Aber nicht die schlaflose Nacht war an Verdons Zustand schuld.
Alles, was Macabros ihm erzählt hatte, schien zu stimmen.
Sein seltsamer Gast konnte tatsächlich an zwei Orten zur
gleichen Zeit sein.
Verdon war mit seinem Besucher bis an die Tür seines
Büros gegangen. Dort hatte Macabros sich verabschiedet –
und war einfach verschwunden.
Kommissar Verdon fuhr wie der Teufel nach La Grande Motte. Auf der
asphaltierten Schnellstraße war er gut vorangekommen.
Kein Wagen hatte ihn überholt, keiner war ihm vorausgefahren.
Verdon traf Hellmark wieder am Tatort.
Ein geheimnisvoller und unverständlicher Mord!
Nur Hellmark hatte eine logische Erklärung dafür. Lili
mußte sterben, weil sie richtig beobachtet hatte.
*
Sie machten ernste, nachdenkliche Gesichter, als sie ins
Krankenhaus kamen.
»Madame Munuel ist vor wenigen Minuten zum ersten Mal zu sich
gekommen«, erfuhren sie vom Arzt. »Wir sind darüber
sehr glücklich. Ich möchte nicht voreilig sein, aber die
Wahrscheinlichkeit, daß wir sie durchbringen, ist sehr
groß.«
Alain Munuel atmete tief durch. »Darüber sind wir alle
sehr glücklich.«
Genevieve Munuel lag in einem Einzelzimmer.
Der Arzt blieb vor der Tür stehen und wandte sich an die
Besucher: »Gestatten Sie mir eine Bitte: es wäre vielleicht
angebracht, wenn Sie einzeln, höchstens zu zweien in das
Krankenzimmer gingen. Madame Munuel ist noch sehr schwach. Ich
möchte sie nicht unnötig aufregen. Gehen Sie hinein und
dehnen Sie Ihren Besuch nicht über zehn Minuten aus! Das
könnte schon zuviel sein. Morgen ist das möglicherweise
schon einfacher. Bitte, haben Sie Verständnis für diese
Maßnahme.«
Sie nickten. »Aber selbstverständlich, Doktor. Wir
möchten auch, daß Mutter so schnell wie möglich
wieder gesund wird«, bemerkte Pascal Tosette.
Sie einigten sich, wer zuerst hineinging.
Es waren Alain und seine Schwester. Den eigenen Kindern stand der
erste Krankenbesuch zu.
Bleich und mit eingefallenen Wangen lag Genevieve Munuel in den
Kissen.
Kaum hob sich ihr Gesicht vom Bettzeug ab.
Sie hielt die Augen geschlossen.
Alain Munuel und Nicole Tosette näherten sich dem Bett.
Genevieve war gealtert. Sie erschraken.
»Mutter«, sagte Nicole Tosette leise und berührte
kaum merklich die blasse, auf der Decke liegende Hand.
Die Sonnenrollos waren herabgelassen. Kühl und angenehm war
es in dem vollklimatisierten Raum.
Genevieve Munuels Augenlider zuckten. »Kinder?« fragte
sie matt. »Es tut mir leid – ich glaube, ich schaff’s
noch mal. Vielleicht ein andermal.«
Die beiden wechselten einen schnellen Blick.
»Was redest du denn da, Mutter?« Nicole Tosette
streichelte die Hand.
»Die Wahrheit, wie ich vermute.«
»Unsinn!«
Ein flüchtiges Lächeln huschte über die blutleeren
Lippen der Verletzten.
»Mein Sohn und meine Tochter… ihr könnt mir nichts
vormachen… ich weiß Bescheid! Geahnt habe ich immer
etwas… aber nun weiß ich es!«
»Ja, glaubst du denn, daß wir etwas mit der Sache zu
tun haben?« entfuhr es Alain Munuel.
»Ich weiß nicht, möglich ist alles.«
»Therese – wurde ermordet, der Mörder hatte es auch
auf dich abgesehen. Wir haben erst heute morgen davon erfahren und
sind sofort hierhergekommen.«
Nicole Tosette sprach sehr leise und ruhig.
»Ist dein… sauberer Herr Gemahl… der Gelehrte
Pascal… auch da?«
»Warum fragst du so komisch, Mutter?«
Was war nur los? Alain Munuel und seine Schwester fühlten
sich unwohl. Ahnte sie was? Hatte sie das Zweite Gesicht? Oder
kombinierte sie. Ihr Verhältnis war gespannt. Seit eh und je.
Das
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