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Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon

Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon

Titel: Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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und großen
Augen. Diese Puppe hatte er Eliza auf dem Rummelplatz mit nur zehn
Schüssen geschossen. Eine kleine Meisterleistung!
    Er nahm die Puppe in die Hand und lächelte schmerzlich, als
er sie wieder auf den alten Platz setzte.
    Neben der Tür stand ein kleiner runder Tisch, davor zwei
altmodische, dick gepolsterte Sessel. Sie waren urgemütlich. Wie
oft saßen sie darin, plauderten, tranken und rauchten!
    Reedstone knipste das Deckenlicht wieder aus, das er eingeschaltet
hatte, als er eintrat.
    Dämmerung herrschte.
    Von der Straße unten sickerte schwaches Licht durch das
große, quadratische Fenster.
    Fred Reedstone ließ sich auf den Rand der Liege nieder. Ein
tiefer Seufzer entrann seiner Brust.
    Alles atmete die Gegenwart der Toten. Es war verrückt gewesen
von ihm, hierher zu kommen.
    Traurigkeit erfüllte ihn. Schmerz. Ein gutes halbes Jahr lag
alles zurück. Es war ihm, als wäre es erst gestern
gewesen.
    Er legte sich zurück und schloß die Augen.
    War alles schon so lange her? Hatte er wirklich den Unfall gehabt
und war Eliza, die schöne Eliza mit dem seidigen, blonden Haar,
den langen Beinen, der Haut wie Samt und der dunklen, betörenden
Stimme, dabei ums Leben gekommen?
    Das Parfüm, das sie immer benutzte – noch jetzt hing ein
Hauch davon im Zimmer.
    Er atmete unwillkürlich tiefer durch, als müsse er den
Duft in sich aufnehmen.
    Und es schien ihm, als würde er stärker werden.
    Die Geräusche aus dem Zimmer nebenan verebbten. Einmal
glaubte er Cindys leise Stimme zu hören, dann eine
Männerstimme, die etwas Unverständliches brummte.
    Dann herrschte tiefe Stille.
    Er atmete tief und langsam. Ruhe und Dämmerung hüllten
ihn ein.
    Er sackte mal kurz weg, als ob er einschliefe, war aber sofort
wieder da.
    Reedstone vernahm ein leises Geräusch. Kleider
raschelten.
    Nein, das war ein ganz bestimmter Rock aus einem zarten, seidigen
Material. Ein Rock, den Eliza stets getragen hatte!
    Dieses Geräusch entstand immer dann, wenn sie sich vom Sessel
drüben erhob oder wenn sie ihre Beine übereinander
schlug.
    Ein Lächeln spielte um seine Lippen.
    »Eliza?« murmelte er schläfrig und zuckte
zusammen.
    Hatte er nicht eben den Namen der toten Geliebten
ausgesprochen?
    Er riß die Augen auf und starrte hinüber zu dem Sessel,
in dem sie immer gesessen hatte.
    Siedendheiß pulste das Blut durch seine Adern, seine
Nackenhaare sträubten sich.
    Da – vor ihm – da bewegte sich doch etwas?
    Das Rascheln… Der seidige Stoff… Die langen, braunen
Beine, die übereinandergeschlagen wurden…
    Und plötzlich sah und hörte er es nicht mehr von der
karierten Liege aus, auf der er lag, nein, gelegen hatte… Er
befand sich dort nicht mehr! Er saß jetzt auf dem zweiten
Polstersessel hinter der Tür. Und neben ihm saß leibhaftig
atmend und lebendig – Eliza Pearson.
     
    *
     
    »Das ist der Eingang zur Unterwelt, Amina«, sagte
Throx.
    Brodelnde Dunkelheit lastete wie ein schwarzer Nebel über dem
Eingang.
    Geheimnisvolle, sphärenhafte Töne drangen an ihr
Ohr.
    »Wie lange sind wir schon unterwegs?« fragte sie mit
schwacher Stimme, sich langsam aufrichtend und dabei erschreckt
feststellend, daß sie die ganze Zeit über an der breiten
Brust des Mannes gelehnt haben mußte, der sich ihrer angenommen
hatte.
    »Seit vielen Stunden.«
    »Die Schlucht erschien mir so nahe.«
    »Der Eindruck täuschte, Amina.«
    »Aber die Totenwächter, welche die erschlagenen Krieger
und Warnak holten – sie tauchten auf und verschwanden wieder,
und alles ging so schnell.«
    »Sie sind Geister. Sie unterstehen anderen
Gesetzen.«
    Er stieg vom Pferd und hob die schlanke Frau mit dem zerrissenen
Gewand langsam herunter. Den blondgelockten Jungen, der während
des Rittes beinahe vom Arm seiner Mutter geglitten wäre, hatte
er mit Ledergurten an der Seite des Pferdes befestigt, so daß
Taaro in seiner primitiven Trage ziemlich sicher lag.
    Der Junge kam jetzt zu sich und rieb sich die Augen.
    »Wo sind wir?« fragte er leise, den Blick dem Gesicht
seiner Mutter zuwendend.
    »Bald dort, wo wir sein müssen, Taaro«, antwortete
die Frau aus der Zukunft. »Bleib immer schön in meiner
Nähe, laß meine Hand nie los!«
    »Nein, Mutter.«
    Throx band sein Reittier an einem knorrigen Ast fest und ging dann
direkt auf den schwarzen Eingang zu, aus dem die seltsamen
Geräusche kamen.
    »Es ist kein Wächter da«, wunderte er sich.
»Der Eingang in das Reich der Toten aber ist immer bewacht.
Nicht jeder kann einfach eindringen.

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