Macabros 055: Mysterion, der Seelenfänger
seinen
Körper legten.
»Ich weiß, was du denkst«, sagte Mysterion.
»Sie stören dich nicht. Sie liegen sanft an deinem
Körper an und folgen jeder deiner Bewegungen. Aber du
täuschst dich! Sobald ich es will, werden sie auch deine Arme
umschlingen und dich hilflos werden lassen. Sie werden so fest an dir
liegen, daß du kaum zu atmen vermagst, erst recht aber nicht,
mir Widerstand zu leisten. Und – ich will es jetzt! «
Mirakel spürte, wie sich die Stränge enger um ihn zu
legen begannen. Bevor er reagieren konnte, hatten Ausläufer von
ihnen seine Arme erreicht und preßten sie in Höhe des
Unterarms an seinen Körper. Der Druck, dem er nun ausgesetzt
war, hätte einen Elefanten in Sekunden niederzuringen vermocht.
Dank des Kristalls wurde ihm zwar der Brustkorb
zusammengedrückt, aber er hatte keine Schwierigkeiten mit dem
Atmen.
»Sind es deine Kräfte, deren du dich bedienst –
oder die von Rha-Ta-N’my? Wie zahlst du ihr die Anleihe
zurück? In Form von Blut?«
»In Form eines schwarzen Reiches, das ich auf Erden errichte.
Eines Reiches, das der Göttin geweiht ist, deren Statthalter ich
sein werde.«
Estrelles steinernes Gesicht verzerrte sich unter dem Anfall
langanhaltenden Gelächters. Mysterion schien es zu
genießen, Mirakel in seine Gewalt bekommen zu haben. Lange
genug hatte er darum gekämpft. Und mehr als einmal sah es so
aus, als hätte er den Kräften des Dykten nichts
entgegenzusetzen.
Mirakels Tod bedeutete das Leben für Mysterion!
Mirakel sammelte seine Kräfte und versuchte sich aus den
Fesseln des Bösen zu befreien. Der Angriff Mysterions hatte ihn
überrascht. Er war überzeugt gewesen, daß es nun
endlich zu einem Kampf zwischen ihnen beiden kommen würde. Doch
wieder war er der Hinterlist seines Gegners verfallen…
Er spannte seine Muskeln.
»Gib es auf, Dykte! Du hast einen Fehler begangen und mich
unterschätzt. Aber tröste dich: es wird dein letzter Fehler
gewesen sein!«
Abermals verfiel er ihn ein lang währendes Gelächter.
Das Netz, in dem er hing, sirrte auf und nieder.
Immer wieder spannte er seine Muskeln. Es ging ihm darum, den
Strang, der sich um ihn gelegt hatte, zu lockern. Ein Nachteil war,
daß er energetischer Natur war und sich seinen Versuchen
entgegenstellte. Je mehr er sich anstrengte, desto stärker
erwiderte er seine Anstrengungen. Dem Dykten war, als kämpfe er
gegen eine Wand aus Watte.
Er überlegte. Wenn er den Zyklus seiner Bemühungen, den
er bislang recht stetig gehalten hatte, nun veränderte?
Er konzentrierte sich auf das Kräftespiel seiner Muskeln. In
Unterarm- und Brustbereich kontraktierte und expandierte er sie in
immerwährendem Wechsel. Ebenso gleichmäßig erwiderten
die Stränge die Bewegung seiner Muskeln.
Im Bruchteil einer Sekunde entschlüpfte er ihnen. Noch
während in seinen Ohren das irre Gelächter Mysterions
gellte, stürzte er sich auf das Netz…
*
Eine Erschütterung ging durch die Station.
Die Vibrationen setzten sich durch die Luft fort und
erfaßten Mirakel noch im Flug. Er wurde zur Seite geschleudert
und schlingerte in gefährliche Nähe des Netzwerks, in dem
Mysterion hing.
»Was ist das?«
Überlaut vernahm der Dykte die Worte des Seelenfängers.
Kurz bevor er mit den glühenden Tauen in Berührungskontakt
geriet, bekam er sich wieder unter Kontrolle.
Mirakel sah in Mysterions steinernes Gesicht, das nun unmittelbar
vor ihm war. Obgleich das Gesicht völlig ebenmäßig
war, erkannte er ein leises Flackern in seinen Augen.
»Es ist deine Station! Müßtest du es nicht am
ehesten wissen?«
Der Blick des Dämons irrte zur Gestalt des Dykten, der wie
ein Racheengel vor ihm schwebte. Eine Antwort schien ihm auf der
Zunge zu liegen, als eine weitere Erschütterung ihn
unterbrach.
»Nein…«, flüsterte Mysterion.
Mirakel hatte ihn so noch nie erlebt. Das sonst so siegessichere
und zynische Gesicht inmitten des Netzes wirkte mit einem Mal
blaß und furchtsam. Er konnte sich nicht vorstellen, daß
es nur die Erschütterungen waren, die in Mysterion
wüteten.
Eine weitere Erschütterung folgte.
»Es scheinen Explosionen zu sein«, stellte der
Dyktenmann fest. »Doch: was explodiert da?«
Statt einer Antwort vernahmen sie eine weitere Explosion.
Estrelles Gesicht zuckte konvulsivisch im Takt der Detonationen.
»Die vierte«, hauchte der Böse.
Mit jeder Erschütterung, deren Ausläufer bis in diese
Station hinein zu spüren waren, schritt der Verfall in
Mysterions Gesicht weiter fort. Der
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