Macabros 060: Dwahls Hirnpuppen greifen an
Trinkflasche an. Sie
enthielt etwa zwei Liter Flüssigkeit.
Der Fremde trank sehr langsam, sehr bewußt und schien jeden
Tropfen zu genießen.
»Das tut gut. Danke! Sie sind sehr freundlich…«
Der Fieberglanz in seinen Augen hatte sich verloren. Erst jetzt
schien der Geschwächte auch richtig imstande zu sein, seine
Umgebung und vor allem seinen Helfer richtig wahrzunehmen. Die
Nebelschleier vor seinen Augen zerrissen.
Björn sah förmlich, wie der Körper des Kranken sich
spannte.
Die schmalen Lippen des Mannes wurden zu einem hauchfeinen Strich.
Dann nickte er kaum merklich.
»Eine Täuschung… ist ausgeschlossen«, sagte er
mit belegter Stimme. »Sie sind… Kaphoon, der
Namenlose…«
*
Hellmark nickte. Er nahm die Worte erstaunlich gefaßt,
beinahe wie erwartet hin.
»Ich war Kaphoon… so nannte man mich in einem anderen
Leben auf einer anderen Welt. Mein jetziger Name dürfte Ihnen
auch geläufig sein…«
Der Schwarzgekleidete auf dem Boden schloß die Augen.
»Björn Hellmark«, murmelte er.
»Richtig! Ein Schwarzer Priester muß ja darüber
informiert sein, wer sein größter Feind
ist…«
»Du bist nicht mein Feind, Kaphoon… Björn«,
verbesserte er sich, ohne Übergang das vertraulichere
»du« anwendend, als sei dies die selbstverständlichste
Sache der Welt. »Nicht mehr…«
In dem Augenblick, als Hellmark diesen Mann sah, wußte er,
daß es sich um einen Schwarzen Priester handelte. Zu viele
Begegnungen mit den Feinden des Lebens hatte er schon hinter sich
gebracht und hatte dabei das Aussehen und Reaktionen studieren
können. Ihr Lieblingsgewand war der schwarze, hauteng anliegende
Anzug, der Umhang, mit dem sie sich zierten.
Kalt und böse die Augen…
Nicht aber hier bei dem…
»Ich bin Dwahl…«
»Ich weiß. Ich habe deinen Namen in der letzten Zeit
sehr oft gehört…«
Dwahl lächelte. »Ich hoffe nur im Zusammenhang mit
angenehmen Ereignissen?«
Es war erstaunlich und befremdend für Hellmark, dies zugeben
zu müssen. Er machte eine völlig neue Erfahrung. Ein
Schwarzer Priester, der ihm freundlich gesinnt war? Der den Menschen
freundlich gesinnt war?
»Ich bin Dwahl, der Verräter, der wiederum zum
Verräter geworden ist.« Es gelang ihm, sich aus eigener
Kraft emporzustemmen. Seine Stimme klang schon klarer, sein Atem
wurde tiefer und kräftiger. Dwahl erholte sich zusehends.
»Es geht vorüber. Die Anfälle kommen und gehen –
unberechenbar, unvorhersehbar. Es gibt keinen Zweifel: sie
hängen mit meiner Abkehr von Molochos zusammen. – Es war
mein Wunsch und mein Ziel, dich, Björn Hellmark, eines Tages zu
treffen. Daß es hier auf dieser Welt und unter diesen
Umständen Wahrheit wird, hätte ich allerdings nicht
für möglich gehalten.«
»Was sind das für Anfalle, Dwahl?« Es gab zahllose
Fragen, die Hellmark auf der Seele brannten. Er konnte sie nicht alle
auf einmal stellen. Er wollte das gesamte Problem, das sich ihm hier
darbot, eingrenzen. »Werden Sie – durch die Hirnpuppen
ausgelöst?«
Auf Dwahls hoher Stirn entstand eine steile Falte.
»Hirnpuppen? Was ist das – wie kommst du darauf, Björn
Hellmark?«
Auch er kannte diesen Begriff nicht. Wieso aber hatte Mahay diesen
Begriff angewendet und ihn mit Dwahl in Verbindung gebracht?
Mahay, in Fiebertrance, hatte auch erkannt, daß es hier in
der Dimension der Leichenpilze einen Abtrünnigen gab.
Dwahl begann zu reden. »Ich bin dir eine Erklärung
schuldig, damit du manches besser verstehst, damit du siehst, wie
ernst es mir ist. – Begonnen hat es auf Xantilon, in den Tagen
des Unheils und der Unruhe, als die Kasten der Weißen und der
Schwarzen Priester sich bildeten. Es kam zur Trennung. Molochos, ein
Lieblingskind Rha-Ta-N’mys und der Dämon, führte die
Kaste der Schwarzen Priester an. Al Nafuur, gütig und weise,
versuchte zu vermitteln. Was mißlang. Lange Zeit war ich
unschlüssig, fühlte mich jedoch schließlich zu
Molochos hingezogen, der mir Macht und Ansehen versprach und dem die
Welt zu Füßen lag. Alles sprach für den Sieg
Molochos. Wir hatten ein großes Ziel erreicht: das ewige Leben.
Das Leben ist alles – der Tod ist nichts! Ich fungierte lange
Zeit als Kontaktmann zwischen Al Nafuur und Molochos und
überbrachte Botschaften. Es kam uns darauf an, auch die
Weißen auf unsere Seite zu ziehen. Jedem Priester – so
hatte Molochos es versprochen – würde irgendwann ein
großes Reich zur Verfügung stehen, in dem er seine
Herrschaft ausüben werde. Alle, die treu
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