Macabros 092: Mandragoras Zaubergärten
es nicht… vielleicht aber führt
Mandragora noch etwas im Schild, von dem wir nichts ahnen. Deine
erste Frage kann ich beantworten. Am Ende des Dunkelfeldes, in dem
wir unmittelbar nach unserer Ankunft von einer starken Kraft
eingefangen wurden, führte der Weg direkt in die Gärten. Du
mußt ihn verpaßt haben, in einer anderen Richtung
davongegangen sein…«
»Wahrscheinlich«, knurrte Macabros. »Wenn
ich’s auch nicht verstehe…«
Er verfolgte diesen Gedanken nicht weiter, sondern konzentrierte
sich auf die Dinge, die sie in diesem Moment unmittelbar
berührten.
Er fand keine Erklärung für all diese Vorgänge. Sie
hatten ihre eigene Gesetzmäßigkeit. Es sah fast so aus,
als würde jene geheimnisvolle Kraft im Hintergrund, die er mit
Mandragora gleichsetzte, alles kontrollieren und jederzeit ihre Wege
verfolgen, auch wenn sie noch so verschlungen und scheinbar
unübersehbar waren.
Die Büsche bildeten einen regelrechten Dschungel. Macabros
und Rani kamen nur langsam voran.
Hin und wieder warf Macabros einen verstohlenen Blick durch das
dichte Blätterdach, das sich über ihnen ausbreitete.
Völlige Stille. Weit und breit waren die Riesenschmetterlinge
und auch Carminia Brado nicht mehr zu sehen.
Macabros behielt seinen Freund Rani ebenfalls unablässig im
Auge. Wenn Mandragora oder ihre geistige Kraft hier ständig am
Wirken war, würde ihr wohl kaum die Annäherung der beiden
Männer entgehen. Wenn Rani unter fremdem Willen stand,
führte er ihn möglicherweise dahin, wohin Mandragora es
haben, wollte. Aber Macabros erkannte darin keinen Sinn.
Er – als ätherische Kopie, als ein Astralleib Hellmarks
– lief überhaupt keine Gefahr, angegriffen oder
ausgelöscht zu werden. Dies war nur über den Originalleib
selbst möglich.
War es Mandragoras Absicht, die Ereignisse einem unheimlichen
Höhepunkt entgegenzusteuern, um ihm seine ganze Hilflosigkeit
voll auskosten zu lassen? War dies ihr grausamer Plan?
Sie hätte es einfacher haben können.
Hellmarks Originalkörper war gefangen. Eine einzige, gezielte
Aktion genügte, um ihn zu töten. Doch Mandragora schien
sich etwas dabei zu denken, daß sie ihn – im Gegensatz zu
seinen Begleitern – auch weiterhin festhielt. Wollte sie ihm
seinen Untergang besonders hart vor Augen führen? Eine andere
Erklärung fand er zunächst nicht.
»Da ist etwas!« Rani Mahays Stimme riß ihn aus
seiner Nachdenklichkeit.
Er blieb stehen. Auch Macabros verharrte in der Bewegung.
Mahay drückte vorsichtig die Zweige auseinander. Dunkel und
massig erhoben sich, weniger als eine Steinwurfseite von ihnen
entfernt, gewaltige Mauern, die den blauen Himmel vor ihnen abrupt
beendeten.
Die Mauern einer Burg, die so groß war, daß man sie
nicht mit einem Blick überschauen konnte.
Die Zinnen sahen aus wie überdimensionale Zähne eines
urwelthaften Ungeheuers, die ein phantasiebegabter Architekt in Reih
und Glied auf dem oberen Mauerrand deponiert hatte.
Die Türme ragten in verschiedenen Höhen aus den
terrassenähnlich angelegten Mauern, die wie weit
auseinanderliegende Schalen einer Frucht geschichtet waren.
Vor den zyklopenhaften Mauern waren wunderschöne, farbenfrohe
Beete zu erkennen, die ihre Pracht von exotischen Blüten
erhielten, die darauf gepflanzt waren.
Die Beete hatten die Form von Schmetterlingsflügeln, die weit
gespreizt waren. Bunte Wege führten zwischen den gebogenen
Beeten entlang.
Die Türme jenseits der gewaltigen Mauern hatten
Öffnungen, die ebenfalls in ihrer Form an
Schmetterlingsflügel erinnerten.
Und welche Bedeutung die Öffnungen in den Türmen hatten,
sollte er gleich mit eigenen Augen erkennen.
Die großen Geschöpfe tauchten wie auf ein geheimes
Kommando plötzlich wieder auf, bewegten sich mit lautlosen
Flügelschlägen über die hohen Mauern hinweg und
glitten mit weit gespreizten Flügeln durch die
Turmöffnungen.
Unter den Schmetterlingen, die hier eintrafen wie Bienen im
heimischen Stock, befand sich auch jenes Exemplar, das Carminia Brado
entführt hatte.
Am liebsten hätte sich Macabros sofort an jene Stelle
versetzt, aber etwas hielt ihn davon ab. Er wollte Rani Mahays Plan
nicht verderben, der auf eine seltsame Weise Ahnung von den Dingen
hatte.
»Da ist sie! Ich wußte, daß ich sie wiedersehen
würde. Ich bin sicher, daß wir etwas tun können, wenn
wir erst mal wissen, wie das alles zustande kommt… Manchmal habe
ich das Gefühl, in die Zukunft sehen zu können, seitdem ich
mich hier aufhalte«, fügte er
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