Macabros 102: Die Finsterlinge von Krosh
nicht, die alte, merkwürdige Madame Fraque,
die anderen half, um…«
Da begann sie zu lachen und übertönte seine Worte.
»Alt? Ehrwürdig? Hilfsbereit? Von wem sprichst du? Das
alles waren nur Vorspiegelungen, damit ich hier mein wirkliches Leben
führen meine wirklichen Interessen in die Tat umsetzen konnte.
Ich betrieb schwarze Magie und führte Rituale in Molochos und
Rha-Ta-N’mys Sinn. Ich erlernte die Praktiken von jener Frau,
die so oft Gast in diesem Haus war. Sie überzeugte mich. Wir
hatten unterschiedliche Ziele. Sie strebte an, die sichtbare und
unsichtbare Welt zu durcheilen, die Welt der Geister und Dämonen
sehen zu können, und sie wollte ein Teil von ihnen sein…
ich dagegen strebte nach Jugend, Schönheit,
Unvergänglichkeit. Jene alte Lehrerin aus Lyon, von der ich dir
erzählt habe, zog schließlich ganz hier ein. Sie versprach
mir, für das zu sorgen, was ich tief in meinem Herzen
wünschte. Dafür stellte sie eine Bedingung: alle Räume
des Hotels sollten ihr zur Verfügung stehen, um allen, mit denen
sie in ihrem Leben zu tun hatte, Unterkunft zu gewähren –
nach deren Tod.
Ein merkwürdiger, unheimlicher Vertrag, nicht wahr? Das
dachte ich zunächst auch. Doch ich willigte ein. Es war mein
Glück. Die Frau aus Lyon und die Menschen aus ihrem Freundes-
und Bekanntenkreis sind heute Dauergäste in diesem Haus.
Manchmal sind sie zu sehen, manchmal nicht. Sie leben in einem Reich
zwischen Sein und Nichtsein… und sie führen ihre Rituale
fort. Wie auch ich die meinen fortsetzen werde. Denn inzwischen
gehöre ich zu ihnen und bin eingeweiht in die Geheimnisse einer
Welt, die uns umgibt, auch wenn wir sie nicht sehen.
Mehr als zehn Jahre waren notwendig, um diesen Tag
herbeizuführen.
Claudia Sevoir, das junge Mädchen aus Cereste, war schon
lange von mir auserwählt, das Opfer zu sein. Ich erwarb ihre
Freundschaft und Zuneigung. Das war Teil meines Plans, sie an mich zu
binden. Ich mußte nur eine günstige Zeit erwischen, um das
erste Opfer – das meinen Freunden in den Zimmern gehört
– bereit zu stellen. Der Zufall kam mir zu Hilfe.
Da tauchte das Paar auf…«
Sie sprach von Camilla Davies und Alan Kennan, deren Namen sie
nicht kennengelernt hatte.
»Ich ergriff sofort meine Chance… ich rief meine
Freunde. Und sie töteten die Fremde. Zu Ehren Rha-Ta-N’mys,
die ein Recht darauf hat…«
Sie sagte es mit höhnischer, arrogant klingender Stimme.
»Dämonen haben kein Recht, schon gar nicht das, Opfer zu
verlangen…«, preßte Rani Mahay hervor.
»Der Mann konnte auf rätselhafte Weise entkommen«,
fuhr sie ungerührt fort. »Ich habe zu spät reagiert.
Es ist merkwürdig, obwohl er offensichtlich über
parapsychische Fähigkeiten verfügte, konnte er das Hotel
verlassen. Das ist normalerweise nicht der Fall. Wer solche
Fähigkeiten besitzt, wird sie in der Nähe dieses Hauses
verlieren und in den Schacht stürzen, den meine Freunde
errichtet haben… es muß also etwas anderes sein, das ihn
gerettet hat. Seitdem bin ich vorsichtig. Hier aus diesem Zimmer kann
nur jemand heraus, wenn ich es will…«
Mahays Herzschlag stockte.
Whiss! Er war ein Bündel parapsychisch geladener Energie! Er
hatte nicht erkannt, daß die Atmosphäre, die dieses Hotel
umgab, gefährlich für ihn war.
Der Schacht? Was meinte sie damit?
Er fragte nicht danach, um sie nicht unnötig auf eine
Möglichkeit aufmerksam zu machen. Vielleicht war Whiss auch
davongekommen, lag irgendwo benommen in einer Ecke und würde
wieder auftauchen, wenn er dazu in der Lage war…
»Du hattest einen Begleiter, keinen Menschen… ein Etwas
aus einer anderen Dimension«, sagte die junge Frau da, als
hätte sie Ranis Gedanken erraten. »Er wird nicht mehr
wiederkommen – und du brauchst dir durch ihn keine Hoffnungen zu
machen. Du hast ebenfalls keine Chance mehr. Du wirst sterben. Weil
du ein Feind derer bist, die ich liebe und verehre und denen ich an
diesem Ort ein Heiligtum errichten werde… mein Leben beginnt neu
in dieser Nacht. Claudia Sevoir ist dem Ruf gefolgt. Und ihr
Körper – ist nun der meine… Komm, komm mit«,
sagte sie lockend wie eine Sirene. »Ich will dir zeigen, wo die
Madame Fraque geblieben ist, die du zu treffen erwartet
hast…«
Mit verführerischem Hüftschwung wandte sie sich ab,
drehte ihm den Rücken zu und ging tiefer in den verschneiten
Raum. Rani biß die Zähne zusammen und folgte ihr mit
staksigen Schritten. Jeder war eine unvorstellbare Anstrengung
für ihn. Der Inder
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