Mach doch - Roman
Einfalt«, wie Beth sie insgeheim nannte – ziemlich leicht zu übertölpeln war. Sie war unvorsichtig geworden, und sie führte ihr Mobiltelefon stets in der Brusttasche ihres weißen Kittels mit sich. Beth hatte sie beobachtet und diese Informationen abgespeichert. Ihr war auch nicht entgangen, dass die Pflegerin in ihren beiden halbstündigen Pausen regelmäßig ihren Freund anrief. Sie wusste das, weil sie sich oft aus dem Bett stahl und das Personal bei der Arbeit beobachtete. Das war der einzige vergnügliche Zeitvertreib, den sie an diesem gottverlassenen Ort hatte.
Das und die Zusammenkünfte mit ihrem Liebhaber.
Der hatte auch nicht viel mehr Grips als Schwester Einfalt, aber immerhin war er als Bauarbeiter wenigstens muskulös. Trotzdem war es an Beth gewesen, auszukundschaften, wann sie sich ungestört treffen konnten. Sie hatte herausgefunden, dass die Wachen meist Poker spielten, während das Pflegepersonal am Dienstag und am Donnerstag seine Besprechungen abhielt. Zum Glück gingen die Bauarbeiter nun schon ein halbes Jahr hier ein und aus, und niemand beachtete sie mehr.
Es war nicht weiter schwierig gewesen, sich einen von ihnen auszusuchen und ihn zu verführen. Und es
war noch leichter gewesen, ihm weiszumachen, dass sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte. Dieser naive Tölpel. Aber er konnte kommen und gehen, wie es ihm beliebte.
Und er tat, was sie sagte. Erst neulich hatte er auf ihr Geheiß hin das Haus ihrer Großmutter nach den versteckten Diamanten durchsucht, die ihre Ahnen als Opfergabe für den berüchtigten Corwin-Fluch verwendet hatten.
Beth hatte beinahe der Schlag getroffen, als sie von Lauren gehört hatte, dass das Haus verkauft werden sollte. Es war nicht weiter schwierig, so zu tun, als würde sie nichts mitkriegen; es war nur verdammt langweilig. Aber das war es wert, denn sie wurde so gut wie gar nicht überwacht; und genau das würde ihr eines Tages die Flucht ermöglichen. Ein Glück, dass ihre Großmutter ihr vertraut und von den Diamanten erzählt hatte.
Ihre Vorfahren, die die Stadt Perkins gegründet hatten, verdankten ihr Vermögen der Schifffahrt. Auch die Edelsteine waren von Übersee gekommen und hatten zu ihrem Wohlstand beigetragen. Niemand wusste, wo sie sich befanden; sie konnten so gut wie überall versteckt sein. Unter den Bodendielen, hinter einem Gemälde oder sogar in eine Wand eingemauert. Ihrer geliebten Großmutter zufolge gab es ein altes Tagebuch, in dem geschrieben stand, dass der Fluch nur aufgehoben werden konnte, indem man die Diamanten aus ihrem Versteck entfernte. Und das galt es zu verhindern, denn was eine echte Perkins war,
wollte Beth nicht auf die Macht verzichten, die mit dem Fluch einherging.
Doch nun hatte sich Lauren in den Kopf gesetzt, das Haus zu verkaufen, und Beth musste zusehen, dass sie die Diamanten in die Hände bekam, ehe sie für immer verloren waren. Ihr Liebhaber war bereits in das Haus eingestiegen, ehe Lauren dort eingezogen war, aber er hatte nichts gefunden. Da er aus Zeitmangel nicht überall suchen konnte, hatte er systematisch die Wandverkleidungen aufgebrochen. Vergebens.
Er musste sich dauerhaft Zugang verschaffen, ehe das Haus den Besitzer wechselte – und damit auch die Diamanten, die Beth als Notgroschen dienen sollten.
Kapitel 8
Lauren wartete ab, bis Jasons Wagen davongefahren war, dann trat sie noch einmal vor die Tür, um Trouble zurück ins Haus zu locken. So ungern sie es zugab, sie fand es beruhigend, wenn der Kater nachts neben ihr im Bett lag. Sie fühlte sich sicher, wenn sie ihn schnarchen hörte.
Da sich ihr samtpfotiger Mitbewohner nicht blicken ließ, beschloss sie, ihr Glück am Hintereingang zu versuchen. Sie begab sich in die Küche und musste zu ihrem großen Entsetzen feststellen, dass die Tür zum Garten sperrangelweit offen stand; dabei war sie ganz sicher, dass sie sie vorhin geschlossen hatte. Verärgert und frustriert knallte sie die Tür zu. Doch als sie abschließen wollte, stutzte sie.
Das Schloss war defekt.
»Na schön, dann bleibt sie eben bis morgen früh offen«, knurrte sie.
Bis Jason wiederkam.
Er war der eigentliche Grund für ihre schlechte Laune. Es ärgerte sie, dass sie sich über das Verhalten seiner Verwandten aufregte. Und dass Jason mit seinem Kuss ihren emotionalen Schutzwall hatte in sich
zusammenstürzen lassen, dabei sollte es eigentlich gar nicht nötig sein, einen zu errichten. Sie war erwachsen; sie sollte doch wohl in der Lage sein,
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