Machine Gun Preacher -: Die wahre Geschichte eines Predigers, der bis zum Äußersten geht, um Kinder zu retten. (German Edition)
sich der Feind nicht im Dickicht auf die Lauer legen kann. Schon einige Tage lang hatten wir keinerlei Aktivität mehr bemerkt. Es war verdächtig ruhig.
Plötzlich zischte etwas an meinem Ohr vorbei, fünf Zentimeter von meinem Kopf entfernt. Der Knall war eine Millisekunde später zu hören. Sie kennen vielleicht das alte Sprichwort: „Du brauchst dich nicht zu ducken, weil du den Schuss, der dich tötet, nicht hörst.“ Das stimmt. Denn Kugeln sind dreimal schneller als der Schall. Doch ich duckte mich trotzdem, fiel auf die Knie und riss noch während des Sturzes meine Pistole aus dem Holster und begann zu feuern. Die beiden Soldaten in meiner Begleitung zerrten ihre Maschinengewehre von der Schulter und schossen wild um sich. Da wir niemanden weglaufen hörten und auch nie eine Leiche fanden, war, wer immer diesen Anschlag verübt hatte, wohl noch einmal davongekommen.
Die Kunde von unserer Arbeit verbreitete sich. Unsere Beliebtheit wuchs. Die Zahl der Kinder, die im Waisenhaus lebten, stieg. Und die LRA intensivierte ihre Versuche, mich auszuschalten. Als die Rebellen einsahen, dass ihre Überfälle auf das Waisenhaus alle fehlschlugen, überfielen sie ein Dorf in der Nähe und fragten die Dorfbewohner nach mir aus – wo ich sei und wie viele Soldaten ich hätte. Denn sie wollten einen erneuten Anschlag auf mich verüben.
Damals plante ich eine Evangelisation, ähnlich der Großevangelisationen, die Billy Graham viele Jahre lang veranstaltete, nur viel kleiner, einige Abende, mit viel Musik und einer Predigt. Ein angeblicher Vertreter der LRA rief beim Radiosender in Gulu an und kündigte an, die LRA würde mich töten, wenn ich an meinen Plänen festhielte.
Man riet mir, die Veranstaltungen abzusagen. „Kony hasst dich“, sagten viele zu mir. „Kony will dich ein für alle Mal erledigen, und das wird ihm auch gelingen!“
Doch das kümmerte mich nicht.
Zum einen dachte ich, nachdem Gott mich bis zu diesem Tag beschützt hatte, würde er mich niemals einem wahnsinnigen Rebellenkommandeur ausliefern. Und außerdem hatte ich noch nie in meinem Leben vor einem Kampf gekniffen, und das würde ich auch jetzt nicht tun. Ich war hier, um mich für andere einzusetzen, um Kinder und unschuldige Opfer zu verteidigen, die sich nicht wehren konnten, und das würde ich tun, bis der Krieg vorbei war.
Deshalb antwortete ich auf solche Bitten: „Wenn wir diese Evangelisation jetzt absagen, werden die Leute denken, der Gott, dem Joseph Kony dient, sei größer als unser Gott.“ Das konnten wir nicht zulassen. Unsere Veranstaltung fand statt wie geplant, und es gab keinerlei Zwischenfälle.
Okkulte Mächte
Aber wir hatten auch andere Feinde: die Medizinmänner der Eingeborenen etwa. Diese waren viel weniger gefährlich, kämpften aber genauso entschieden gegen unseren Glauben. Medizinmänner sind mächtige und einflussreiche Persönlichkeiten in den Dörfern, und sie wachen eifersüchtig über ihr Ansehen bei ihrem Volk. Mit Gesängen, Pulvern, Tränken, Tänzen, Symbolen und Schmuckstücken rufen sie die Geister an, bitten sie, Glück zu bringen, Kranke zu heilen, den Sieg in einem Kampf zu schenken und den Schmerz der Geburt zu lindern (unter anderem). In ihren Augen sind Tabletten und Spritzen gefährlich und ihre Wirkung nicht bewiesen. Den christlichen Glauben lehnen sie strikt ab.
Kurz nach der Eröffnung des Waisenhauses besuchte ich ein Dorf in der Nähe von Yei. Die Dorfbewohner erzählten mir, ihr Medizinmann wolle mich töten. Er habe genug von den Mzunga Geistern und ihrer Medizin und wolle dem Wettstreit endgültig ein Ende bereiten. Die Dorfbewohner zweifelten nicht daran, dass er mich mit einem Fluch belegen und töten könnte. Als ich mich mit einer Familie an der Tür ihres Tukuls unterhielt, kam ausgerechnet dieser Medizinmann um die Ecke.
Er blieb in etwa drei Metern Entfernung stehen, und wir starrten einander an. Alle in unserer Nähe hielten in ihrer Tätigkeit inne und drehten sich zu uns um. Der Medizinmann trug außer seinen Halsketten und dem Hand- und Knöchelschmuck aus Federn und Knochen keinerlei Kleidung. Mit seiner runzligen Haut und seinen weißen Haaren strahlte er Würde aus. Doch seine Augen waren aufgerissen wie die eines Wahnsinnigen.
Alle waren wie erstarrt und plötzlich sprang der Medizinmann in die Luft – es sah wirklich aus wie in einem Cartoon! Dann begann er um mich herumzutanzen und zu springen, gestikulierte wild mit den Händen und stieß Schreie aus. Er
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