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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
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junge Mann kaufte ein Geschenk für sich selbst.
    Alle sagten, dass die kossucha ihm stünde. Er zog seine Neuerwerbung wochenlang nicht aus. Angetan mit dieser Jacke, ging er mit dem Künstler Dima trinken. Sie kamen auf Untreue in der Ehe zu sprechen. Dima sagte, in den vierzehn Jahre, die er mit seiner Frau zusammenlebe, habe er sie nicht ein Mal betrogen. In der Hand hielt er ein Glas mit angenagten Rändern. Dann gingen sie zu zweit zum Newski und setzten sich vor das Lädchen »24 Stunden«, in der Absicht, Mädchen einzuladen. Nachts kommen aus den teuren Clubs immer Mädchen herausgelaufen: Drinnen Alkohol zu kaufen ist ihnen zu teuer. Eine taubstumme Bettlerin trat auf sie zu mit einem Blatt Papier, auf dem das Übliche zu lesen war: Sie sei eine Waise, habe Hunger und brauche – bitte! – Geld.
    Ein paar Jahre zuvor war der junge Mann nach Sachalin in das Dorf Wsmorje gefahren und hatte, da es dort kein Hotel gab, in einem Heim für Taubstumme gewohnt. Wsmorje war auf drei Seiten von Bergkuppen eingerahmt, auf der vierten glänzte grau der Stille Ozean. Das Heim erinnerte halb an eine Leprastation, halb an ein Indianerreservat. Weiß gestrichene Wände, Horden wilder sachalinscher Kakerlaken. Die Taubstummen bauten Kartoffeln an und tauschten bei den durchfahrenden Städtern roten Kaviar gegen Sonnenblumenöl. Mit den Wirtsleuten musste er sich mit Gebärdensprache verständigen, so wie in den Nachrichten mit Dolmetschern für Schwerhörige. Er lernte recht gut, in dieser Sprache zu reden.
    Der junge Mann fragte die Taubstumme, ob sie nicht Sex machen wolle? Sie sagte, ja, das gehe. Er sagte, »Sex machen« bedeute nicht, dass er ihr dafür Geld geben würde. Das Mädchen antwortete, das sei ihr egal. Es war nicht leicht, die Finger zu bewegen. Im Spätherbst bedeckt sich die Hand, in der du eine Flasche hältst, sofort mit Raureif.
    Als er dem Künstler den Dialog übersetzte, klatschte der vor Vergnügen fast in die Hände und verschwand sofort im Geschäft, um Wein zu kaufen. Sie gingen zum Platz der Künste und setzten sich unter den Bronze-Puschkin. Die Bettlerin knöpfte Dima selber die Hose auf. Sie war in mehrere Schichten unförmiger Pullover und Jacken eingepackt. Vor ihr hatten diese Lumpen mindestens schon zehnmal den Besitzer gewechselt. Der Künstler fletschte grinsend die Zähne und sagte, das sei doch sehr ungewöhnlich! Die Bettlerin könne etwas sagen, ohne auch nur für eine Sekunde mit dem Blasen aufzuhören! Dima war betrunken, es dauerte lange. Als die Reihe an den jungen Mann kam, klagte die Taubstumme, sie sei müde. Ihr sei kalt, hier kämen Leute vorbei, und sie wolle nach Hause, wo es warm sei und Musik gebe. »Wozu brauchst du Musik, wenn du keinen Pieps hörst?«, lachte er, aber sie gingen dann doch. Bei elektrischer Beleuchtung sah die Bettlerin schmutzig und abstoßend aus. Der junge Mann löschte das Licht.
    Das Mädchen zog sich ein paar stinkende T-Shirts aus, leuchtete sich dabei mit einem Feuerzeug auf die Hand und sagte, er solle aber nicht denken, sie sei eine Prostituierte. »Ihr habt mir einfach gefallen, das ist alles.« In dem zitternden Lichtschein des Feuerzeugs konnte er die Streifen von Messernarben erkennen, die wie rosa Raupen über ihren Bauch liefen. Dima gab ihm ein Präservativ. Wieso hat er so was bei sich? Er ist doch angeblich vorher vierzehn Jahre lang nicht ...
    Eine Amerikanerin hatte ihm mal erzählt, dass ihre Landsleute allen Ernstes glaubten, die Russen wüschen die Präservative aus und benutzten sie mehrere Male. Als die Taubstumme zum Höhepunkt kam, krümmte sie sich zusammen, röchelte und wand sich, als müsse sie sich gleich übergeben. Er bestand auf oralem Sex und zog mehrmals das Präservativ herunter, musste es aber jedes Mal wieder überziehen. Haben Sie das schon mal probiert? Normalerweise ist es unmöglich, einen abgezogenen Gummi wieder überzuziehen, er wird hängen wie ein überflüssiger Darm. Dem jungen Mann wurde regelrecht übel, aber noch mehr ekelte er sich, als er ein paar Wochen später die Hand unter die Decke steckte und ein winziges, mit allen Fühlern zappelndes weißliches Körperchen, ein kleines Tier, hervorzog. Geschlechtskrankheiten waren für ihn nichts Ungewöhnliches mehr, er hatte schon fast alle einmal gehabt, aber Filzläuse?
    Aber das war noch nicht mal das Schlimmste. Als er morgens aufwachte, stellte er fest, dass die Bettlerin verschwunden war. Verschwunden waren auch mehrere Dutzend Dollar aus

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