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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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Augen. »Was machst du eigentlich hier?«
    »Ach«, begann Moritz. »Ich war gerade zufällig in der Gegend und da dachte ich mir, ich schau mal bei dir im Büro vorbei.« Er verstummte. »Nein, zum Kuckuck, wir waren vor zwei Stunden im MAIN TOWER-Restaurant zum Essen verabredet.« Er klopfte mit dem Zeigefinger auf das Glas der goldenen Breitling an seinem Handgelenk. »Heute ist mein letzter Abend in Frankfurt! Morgen trete ich meine Stelle in der hessischen Landesvertretung in Berlin an, und das wollten wir zusammen feiern. Du erinnerst dich?«
    Josephine sah sich um wie eine erwachte Traumwandlerin. Die Fenster des Poelzig-Baus waren hell erleuchtet, und auf dem Himmel brannte bereits das Abendrot. »Sei mir nicht böse, Moritz. Mir ist nicht mehr nach Feiern zumute. Ich will nur noch heim.«
    Moritz hielt sie brüsk zurück. »Was ist bloß los mit dir?« Er musterte sie von oben bis unten. »Warum sitzt du hier so verheult in der Kälte herum?« Er fuhr sich über das Gesicht und steckte dann die Hände in die Manteltaschen. »O Mann«, stöhnte er. »Ist schon wieder irgendetwas mit deinem Chef? Hat er dich schon wieder bei irgendwas übergangen, oder wie den letzten Dreck behandelt?« Er wartete kurz auf eine Antwort, die nicht kam. Dann rief er plötzlich: »OK! Wenn du unbedingt willst, dann fahren wir eben zu dir. Dort kletterst du in das kleine Schwarze, und dann gehen wir feiern.«
    Mahler funkelte Moritz böse an und entwand sich seinem Griff. »Das kleine Schwarze wird in nächster Zeit im Schrank bleiben. Ich brauche jetzt das große Schwarze!«
    »Was?« Moritz verstand überhaupt nichts mehr und starrte Josephine entgeistert an.
    »Mein bester Freund ist tot!«, brüllte Josephine und erschrak vor ihrer eigenen Stimme.
    »Das wusste ich nicht«, stammelte Moritz und wollte ihre Hand nehmen. »Ich dachte, es wäre nicht so ernst, und du übertreibst mal wieder.«
    »Du hättest mich fragen können! Aber das hast du nicht. Und warum?« Mahler machte einen Satz nach hinten, um mehr Distanz zwischen sich und Moritz zu gewinnen. »Weil es dir scheißegal ist! Weil ich dir scheißegal bin!« Sie schlug sich mit der flachen Hand auf die Brust. Dann ließ sie den Kopf hängen und begann wieder zu weinen. Viel leiser sagte sie zu sich selbst: »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich hier eigentlich mache?« Sie hob den Blick und betrachtete ihr Gegenüber wie einen Fremden. »Was ist bloß in mich gefahren, mit dir etwas anzufangen …«
    Moritz hob beschwichtigend die Hände und blickte sich in alle Richtungen um. »Bitte, Josephine, mach mir hier jetzt keine Szene.«
    Eine Gruppe Studentinnen schaute erst entgeistert zu den beiden herüber, dann senkten sie schnell die Augen und liefen weiter.
    »Hau dich über die Häuser!«, zischte Josephine. »Ich bin weg! Und wenn du mich suchst, ich bin daheim in Wien und begrabe meinen besten Freund!« Sie drehte sich auf den Hacken um und zog die Tür zur Eisenhower-Rotunde auf.
    »Fein!«, rief ihr Moritz hinterher. »Und ich bin in Berlin. Meine Telefonnummer hast du ja, falls du es dir noch anders überlegst. Oder falls du wieder irgendetwas brauchen solltest.«
    Mahler erstarrte in der Bewegung und drehte sich ganz langsam zu ihm um: »Auf meinen Anruf kannst du warten, bis du schwarz wirst.« Ein spöttisches Grinsen erschien in ihrem Gesicht. »Aber das bist du ja schon. Schnösel.«
    Sie donnerte die Tür hinter sich zu. Es gab nichts mehr, das sie in Frankfurt hielt.

4
    Wien, 10. Oktober 2012
    D ie Menschen standen mittwochnachmittags Schlange, um Pfarrer Fuchs Lebewohl zu sagen. Die Friedhofsdiener mussten einen zusätzlichen Handwagen organisieren, um alle Kränze und Buketts aus der Christuskirche an das Grab des beliebten Pfarrers zu schaffen. Im Nieselregen zwischen den dichten Reihen der Grabsteine warteten Verwandte, Freunde und Bekannte der Familie, Gemeindemitglieder und Kollegen. Der Superintendent hatte seine Ansprache beendet und den Segen gesprochen. Vom offenen Schachtgrab bis hinüber auf den Hauptweg reihten sich die Trauergäste aneinander, um Erde und Blumen als letzten Gruß auf den Sarg zu werfen. In wenigen Minuten waren das Kruzifix und das Buchenholz unter Schnittblumen, Abschiedsnoten und losen Erdklumpen verschwunden.
    Sophie Fuchs war sichtlich um Fassung bemüht. Sie trug ein schwarzes Kleid, einen dunklen Mantel, und ihr Haar war zu einem Knoten aufgesteckt. Mit eiserner Miene und geschwollenen Augen nahm sie die

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