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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Gesellschaft, die jeder geistigen Liebe endgültig abgeschworen hat, und die, ihres alten Eingeweides uneingedenk, nur noch um ihren Wanst besorgt ist. Kurzum, man darf wohl sagen, daß dieses Urteil, seiner hohen poetischen Tendenz wegen, endgültig war; daß die Muse den Prozeß gewonnen hat und daß alle Schriftsteller, zumindest alle, die dieses Namens würdig sind, in der Person Gustave Flauberts freigesprochen wurden.
    Sagen wir darum nicht, wie so viele andere mit einem leichten Anflug unbewußter Verstimmung behaupten, das Buch verdanke seine unendliche Beliebtheit dem Prozeß und dem Freispruch. Auch unbehelligt hätte das Buch die nämliche Neugier geweckt, es hätte das gleiche Erstaunen, die gleiche Erregung hervorgerufen. Übrigens war ihm seit langem die einmütige Zustimmung sämtlicher Gebildeten zuteil geworden. Schon unter seiner ersten Gestalt, in der Revue de Paris , wo unbesonnene Eingriffe seine Harmonie zerstört hatten, hatte es ein heftiges Interesse erregt. Die Lage Gustave Flauberts, der sich mit einem Male berühmt sah, war zugleich ausgezeichnet und schlecht; und die verschiedenen Gründe, die ihn in diese zweideutige Lage gebracht haben, über die seine Begabung in ihrer Rechtschaffenheit den Sieg davonzutragen verstanden hat, möchte ich in folgendem, so gut ich vermag, darlegen.

III

    Ausgezeichnet; – denn seit Balzac nicht mehr ist, diese Wundererscheinung, die über unserem Land wie ein glorreiches Gewölk stehen wird, wie ein bizarrer unvergleichlicher Orient, wie eine Nordlichtröte, die über die Eiswüsten ihre feenhaften Lichter ergießt, – war jedes Interesse an dem Roman erlahmt und eingeschlafen. Erstaunliche Versuche waren freilich unternommen worden. Seit langem schon hatte in einer immer schäbiger werdenden Welt, Monsieur de Custine, berühmt durch Aloys, durch Le Monde comme il est und Ethel, – Monsieur de Custine, der Schöpfer des häßlichen jungen Mädchens, dieses Typus, um den Balzac ihn so sehr beneidete (man sehe den wahren Mercadet ), dem Publikum Romuald ou La Vocation, ein Werk von erhabener Ungeschicklichkeit, geliefert, wo unnachahmliche Seiten den Leser veranlassen, ihm manche Längen und Unbeholfenheiten zugleich anzukreiden und zu vergeben. Doch Monsieur de Custine ist eine Abart des Genies, ein Genie, dessen Dandysmus sich bis zum Ideal der Nachlässigkeit erhebt. Diese aristokratische Gutgläubigkeit, diese romanhafte Glut, dieser offenherzige Spott, diese bedingungslose und nonchalante Persönlichkeit sind den Sinnen der großen Herde nicht zugänglich, und dieser köstliche Schriftsteller sah sich allem Unglück ausgeliefert, das seine Begabung verdiente.
    D’Aurevilly hatte durch Une Vieille Maîtresse und durch L’Ensorcelée eine lebhafte Aufmerksamkeit erregt. Dieser Kult der Wahrheit, der hier mit einer so erschreckenden Inbrunst zum Ausdruck kam, konnte der Menge nur mißfallen. Als echter Katholik, der die Leidenschaft beschwört, um sie zu besiegen, singend, weinend und schreiend mitten im Sturm, wie Ajax auf einen trostlosen Felsen gebannt, und stets in einer Haltung, als spräche er zu seinem Rivalen – Mensch, Wetterstrahl, Gott oder Materie –: »Reiß mich fort, oder ich reiße dich fort!«, war auch d’Aurevilly außerstande, ein in Schlaf versunkenes Geschlecht aufzurütteln, dessen Augen verschlossen sind für die Wunder der Ausnahme.
    Mit einem kindlich bezaubernden Gemüt hatte Champfleury im Pittoresken sein gelungenes Spiel getrieben, hatte seinen poetischen Kneifer (der poetischer ist, als er selber glaubt) auf die burlesken und rührenden Wechselfälle des Familien- oder Straßenlebens gerichtet; doch aus Originalität oder Sehschwäche, vorsätzlich oder gezwungenermaßen, vernachlässigte er den Gemeinplatz, den Ort, wo die Menge sich trifft, das öffentliche Stelldichein der Beredsamkeit.
    Nach diesen hat kürzlich erst Charles Barbara, eine strenge und logische Seele, auf die geistige Treibjagd versessen, einige unzweifelhaft vorzügliche Anstrengungen unternommen; er hat versucht (eine stets unwiderstehliche Versuchung!), außergewöhnliche Gemütszustände zu beschreiben und zu erhellen, und die unmittelbaren Folgen der falschen Einstellungen abzuleiten. Wenn ich hier nicht die ganze Sympathie bekunde, die der Verfasser der Heloïse und des Assassinat du Pont-Rouge mir einflößt, so unterbleibt dies nur deshalb, weil er nur beiläufig, als eine geschichtliche Anmerkung, in mein Thema gehört.
    Paul Féval, am

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