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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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musste er jedoch zu seinem eigenen Missfallen Pinkerton darin recht geben, dass die lange Zeremonie mit all ihren rätselhaften, komplizierten Handgriffen und all ihrer Bedeutungsschwere letzten Endes doch nur dem Zweck diente, eine Tasse Tee zuzubereiten und zu servieren.
    Nachdem das Ritual beendet und der Tee getrunken, die Utensilien gewaschen, abgetrocknet und weggeräumt waren, eröffnete Cho-Cho Sharpless die Neuigkeit. Er gratulierte ihr und sagte, er werde sofort an Leutnant Pinkerton schreiben und ihm mitteilen, dass er in Kürze Vater werde.
    »Eine große Überraschung!«, sagte sie lächelnd. »Es wird ihm Freude bereiten.«
    Was die Überraschung betraf, stimmte Sharpless ihr uneingeschränkt zu. Was die Freude betraf, war er sich nicht so sicher.
    Pinkertons Brief, ein paar flüchtig hingeworfene Zeilen, die in großer, krakeliger Schrift die ganze Seite bedeckten, lagen mehrere große Dollarscheine bei. Das sei mehr als genug, schrieb Pinkerton, um die Kosten für die Entbindung zu decken und den Mietvertrag für das Haus zu verlängern. Cho-Cho, fügte er hinzu, sei jung und gesund und könne nach der Geburt wieder arbeiten, und was das Kind angehe, wer könne unter den gegebenen Umständen schon mit Gewissheit sagen, ob es von ihm stamme? Kein einziges persönliches Wort.
    Sharpless saß lange an seinem Schreibtisch, ein grauer Schleier schien sich über ihn zu legen, er hatte das Gefühl, versagt zu haben, geschlagen worden zu sein, auch wenn er nicht hätte sagen können, von wem und wofür. Am nächsten Tag suchte er Cho-Cho auf und teilte ihr mit, er habe Nachricht von Pinkerton. Der Leutnant sei natürlich überglücklich. Er habe Geld zur Deckung sämtlicher Kosten geschickt.
    »Und hat er auch geschrieben, wann er zurückkommt?«
    »Es war nur ein kurzer, in aller Eile verfasster Brief. Er hat wohl viel zu tun.«
    Es war feige. Und außerdem war es falsch, ihr weiterhin Hoffnungen zu machen. Doch man durfte einer schwangeren Frau nicht zumuten, rechtfertigte er sich vor sich selbst, mit einer Nachricht fertig zu werden, die alle ihre Hoffnungen zunichte machte … Ganz bestimmt ergab sich irgendwann eine Gelegenheit, ihr die Wahrheit schonend beizubringen.
    Nach der Geburt des Kindes besuchte Sharpless Cho-Cho mit Geschenken.
    Sie hielt ihm ein winziges, rotgesichtiges, schniefendes Bündel entgegen. Sharpless stellte fest, dass das Neugeborene einen hellblonden Haarschopf hatte und mit kleinen blauen Augen in die Welt blickte. Die Pinkerton’sche Erbmasse war unverkennbar.
    »Das ist er, Sharpless-san. Mein Kanashimi.«
    Er sah sie verblüfft an. »Du nennst ihn kanashimi, Kummer?«
    »Es bedeutet außerdem Sorge.«
    »Der arme Junge!«
    Sie erbarmte sich. »Das ist ein kleiner Scherz unter Müttern. Erklär es ihm, Suzuki.«
    »Sein Name lautet Kanashimi, aber gemeint ist das Gegenteil – sachio –, weil ein Sohn ein Segen ist.«
    »Es soll außerdem den bösen Blick abwenden. Falls man abergläubisch ist, verleugnet man besser, dass ein glückliches Ereignis eingetreten ist«, sagte Cho-Cho. »Ich bin selbstverständlich nicht abergläubisch, aber …« Sie lachte. »Nur für alle Fälle.«
    Zu gegebener Zeit, so erfuhr Sharpless, wenn der Junge älter war und nicht mehr so hilflos, dürfe er ihn mit seinem richtigen Namen ansprechen.
    Mit blumigen Worten brachte er seine Bewunderung für den neuen Erdenbürger zum Ausdruck, überreichte seine Geschenke und ging.
    Als Cho-Cho wieder allein war, beugte sie sich über das in ein Tuch gewickelte Bündel und musterte die feinen Gesichtszüge. Eine neue Rolle wartete auf sie: die der Mutter. Aber zuerst einmal musste sie sich daran gewöhnen, dass es dieses rätselhafte Geschöpf überhaupt gab, ein Geschöpf, das in ihr herangewachsen war – zuerst war es ihr unfassbar erschienen, dann ganz natürlich. Doch nun, nachdem es ihren Körper verlassen hatte, musste sie dieses Wesen, das bis vor Kurzem ein Teil von ihr gewesen war, als etwas Eigenständiges begreifen. Sie musste lernen, diese Eigenständigkeit zu respektieren, obwohl sie nach wie vor das Gefühl hatte, sie sei eins mit ihm. Tief sog sie seinen Geruch ein, so süß wie Milch und Reis, legte ihre Hand auf seinen Kopf, fühlte den leichten Herzschlag, hob eine der kleinen Hände mit den garnelenähnlichen winzigen Fingern, die bereits zugreifen konnten, betrachtete die rosige Knospe seines Mundes, der von allein den Weg zu ihrer Brust fand. Glück. Sachio . Freude. Joy in

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