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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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von Hotdogs und der Geschmack von Zuckerwatte. Aber das Tollste war, als Dad am Schießstand ein Stofftier oder eine Puppe schoss. Eine Puppe, so groß wie ein richtiges Kind. Er erinnerte sich an das Foto in einem Album mit Ledereinband und abgewetzten Ecken, das in irgendeiner Schublade lag. Er hatte einen Matrosenanzug getragen.
    Cho-Cho zog den Jungen an sich, legte ihm die Hände auf die Schultern und blieb abwartend stehen, während die beiden Männer sich näherten.
    »Das ist dein Sohn. Sein Name ist Joy.«
    Und als das Kind auf Pinkerton zuschoss und seine Knie umklammerte, kniete Cho-Cho nieder und berührte mit der Stirn den Boden. Lächelnd erhob sie sich wieder.
    »Du kannst mit ihm reden. Er versteht dich. Er ist ein amerikanischer Junge.«
    Jensen rettete die Situation. Er trat zu Cho-Cho, schüttelte ihr die Hand und stellte sich vor. Er redete drauflos: Er habe schon so viel über Japan gehört, Leutnant Pinkerton habe ihm erzählt, was für eine wunderbare Stadt Nagasaki sei … Seine Stimme mit dem weichen Südstaatentonfall füllte die Stille.
    Jahre später, als das Schiff, das Jensen als Kapitän befehligte, unter feindlichem Beschuss stand, erinnerte er sich an diese Situation als den Moment, in dem ihm klar geworden war, dass er das Zeug zum Anführer hatte. Damals hatte er nur mitbekommen, dass Pinkerton stocksteif dastand und kein Wort herausbrachte.
    Drinnen im Haus, außer Sichtweite, machte Suzuki sich gerade für die Spätschicht in der Fabrik fertig. Bei einem Blick aus dem Fenster sah sie im Hafen einen Ozeandampfer vor Anker liegen. Sie nahm Cho-Chos Fernglas und fasste ihn genauer ins Auge: den Schornstein, das funkelnde Messing, das geschrubbte Deck. An der Reling lehnte eine junge Frau in einem gelben Kleid, das an den Knien endete und ihre Beine in den hautfarbenen Strümpfen sehen ließ. Auch ihre kurz geschnittenen Haare, kaum zu sehen unter dem eng anliegenden Hut, der auf ihrem Kopf saß wie ein Kochtopf, waren gelb. Noch während Suzuki sie beobachtete, kletterte aus einem kleinen Boot ein Mann an Deck und näherte sich der jungen Frau. Sie umarmten sich. Der Mann war Sharpless-san.

Kapitel 7
    IN DEN ERSTEN Minuten, im Aufruhr der Gefühle, der dem Anblick des Jungen folgte, konnte Pinkerton nichts weiter tun, als sich darüber klar zu werden, dass er Vater war. Erstaunt lauschte er der Begrüßung des Kindes, zuerst auf Japanisch, dann auf Englisch.
    Suzuki trat aus dem Haus. Beschämt darüber, in ihrer Arbeitskleidung gesehen zu werden, versuchte sie mit gesenktem Blick, sich möglichst unauffällig an der kleinen Gruppe vorbeizudrücken. Pinkerton rief: »Hallo, Suzuki! Du bist ja immer noch da!«
    Sie blieb stehen und verbeugte sich, ohne aufzusehen, bemüht, ihre von der Fabrikarbeit mit Narben übersäten Hände in den Ärmeln zu verstecken. Pinkerton, auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg aus dieser peinlichen Situation, zog sie jedoch auf die Seite und murmelte, er brauche ein Geschenk für den Jungen – für Joey, wie sein westliches Gehör den Namen aufgenommen hatte.
    »Verstehst du, was ich sage?«
    Suzuki, die sehr gut verstand, warf einen hilfesuchenden Blick zu Cho-Cho.
    »Suzuki muss – sie muss arbeiten …«
    »Klar, sie soll mir nur vorher schnell was für Joey besorgen, okay?«
    Er drückte Suzuki ein paar Geldscheine in die Hand und versetzte ihr einen aufmunternden kleinen Klaps.
    »Ich gehe dann wohl mal besser«, sagte Jensen. »Ich finde schon den Weg zum Schiff.«
    Pinkerton, der unter keinen Umständen mit Cho-Cho allein sein wollte, wischte Jensens Worte mit einer Handbewegung beiseite.
    »Kommt nicht in Frage, Sie verlaufen sich bestimmt. Genießen Sie die Aussicht, riechen Sie mal diese saubere Luft.«
    Aber der junge Leutnant war stur und eilte Suzuki hinterher, um sich von ihr den Weg zurück zum Hafen zeigen zu lassen.
    An Bord des Ozeandampfers begrüßte Sharpless überschwänglich seine Nichte.
    »Willkommen in Japan, meine liebe Nancy!«
    Mary war seine Lieblingsschwester, und die junge Frau hatte große Ähnlichkeit mit ihr; sie zog auf die gleiche Weise wie sie die Nase kraus, wenn sie lachte, was er ganz entzückend fand. Er lächelte, erfreute sich an ihrem Anblick, den glänzenden Haaren, dem strahlenden Lächeln, dem Hauch einer anderen Welt, den sie mitbrachte, einer Welt, in der die Menschen offen waren und unverblümt sagten, was sie meinten. Mittlerweile waren ihm die komplizierten, zurückhaltenden, unergründlichen

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