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Madame Butterflys Schatten

Madame Butterflys Schatten

Titel: Madame Butterflys Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Langley
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Wir haben hier schon jede Menge solcher Häuser.«
    »Aber keines wie meins.« Sie rief nach Suzuki, und das Dienstmädchen erschien mit einem Tablett, auf dem mehrere kleine Schalen standen.
    Cho-Cho reichte ihrem Besucher einen Teller mit einer Auswahl unbekannter Speisen. Neugierig nahm er mit den Essstäbchen einen Bissen und probierte ihn. Seine Augen quollen hervor, er rieb sich den Kopf, schnitt theatralische Grimassen, um Erstaunen, Ekel und Entsetzen zum Ausdruck zu bringen. Schließlich spuckte er den Bissen aus.
    »Das ist ungenießbar.«
    »Ja!«
    Sie musste daran denken, wie Pinkerton eines Morgens einen Löffel vergorene Sojabohnen probiert, sie sofort wieder ausgespuckt und fassungslos gefragt hatte: »Was ist das denn für ein ungenießbares Zeug?«
    »Das ist natto «, hatte sie ihm erklärt. »Traditionelles Frühstück.«
    »Es stinkt«, hatte Pinkerton erwidert, »hoffentlich muss ich das nie wieder essen.«
    »Das ist Hackbraten. Traditionelles amerikanisches Essen«, erklärte sie jetzt dem Heiratsvermittler. »Meine Kunden werden Amerikaner sein. Von Heimweh geplagte Seeleute.«
    Der Heiratsvermittler dachte über ihre Worte nach und stellte eine Frage. Hörte ihr zu. Er blickte auf den Hackbraten und dann, mit neu erwachtem Respekt, zu ihr.
    »Dieses Lokal, das du da aufmachen willst …«
    Am Anfang war es nicht mehr als ein Verschlag zwischen zwei Häusern mit einer Theke und ein paar Stühlen. Cho-Cho stand am Herd, Suzuki servierte. Ein Schild vor der Tür verkündete in großen Buchstaben auf Englisch:
    AMERIKANISCHES RESTAURANT NAGASAKI
    HACKBRATEN NACH HAUSFRAUENART
    APFELKUCHEN WIE BEI MUTTERN
    Zuerst hielten die Seeleute das für einen Witz; sie kamen in der Erwartung, dass ihnen irgendeine verrückte japanische Version von richtigem Essen aufgetischt werde, doch schon bald standen sie vor der Tür Schlange. Als der Andrang nicht mehr zu bewältigen war, stellte Cho-Cho eine Kellnerin ein. Sie zogen in ein größeres Haus um, stellten Tische auf, erweiterten die Speisekarte. Schenkten Bier aus.
    Noch vor dem Morgengrauen stand Cho-Cho auf und zog los, um auf dem Markt am Fluss Gemüse zu kaufen und am Kai Fisch. Sie ließ Visitenkarten für das Amerikanische Restaurant Nagasaki drucken, die in den obis der Mädchen in den Teehäusern steckten. Für jeden Kunden, den sie Cho-Cho schickten und zu denen nun auch Offiziere gehörten, erhielten sie eine kleine Provision.
    Sie war gerade dabei, Muschelsuppe aufzutragen, als sie ihn vor der Tür stehen sah; eine weiße Uniform, blonde Haare, die Mütze unter den Arm geklemmt. Unwillkürlich schnappte sie nach Luft, dann trat er aus dem Schatten ins Licht, ein rotwangiger Fremder, der sich erkundigte, ob er für später einen Tisch reservieren könnte.
    »Selbstverständlich«, sagte sie. »Damit es keine Enttäuschung gibt.«
    Nachdem Cho-Cho eine Köchin und eine zweite Kellnerin eingestellt und angelernt hatte, bat sie Sharpless um ein Treffen.
    Dem Konsul fehlten die Worte, ihm fiel nichts ein, um das Eis zu brechen, keine passende Bemerkung – irgendwelche diplomatischen Floskeln des gesellschaftlichen Umgangs, die man eben so von sich gab und die ihm sonst so leicht von der Zunge gingen. Er wusste, dass sie den Unterricht für die Mädchen in der Mission aufgegeben hatte, weil ihr das Restaurant keine Zeit mehr dafür ließ, aber er zögerte, seine Glückwünsche auszusprechen. Hatte sie ihm verziehen?
    Eine Weile blieben sie beide stumm, Cho-Cho blickte auf die Matte auf dem Boden, Sharpless warf hin und wieder einen verstohlenen Blick auf ihr Gesicht und erinnerte sich dabei an die Stunden, die er an ihrem Bett verbracht, sie beobachtet und auf ein Zeichen gewartet hatte, dass sie ins Leben zurückkehrte. Sie sah gut aus, allerdings zeigte ihre Miene eine noch nicht gekannte Entschlossenheit.
    Er räusperte sich nervös. Cho-Cho tastete nach der weißen Narbe an ihrem Hals, eine Geste, die ihr inzwischen zur Gewohnheit geworden war. Ihre Stimme war kaum hörbar, als sie schließlich das Wort ergriff.
    »Haben Sie Neuigkeiten aus Amerika?«
    »Einen Brief von meiner Schwester. Sie schreibt … es geht allen gut.« Sie hatte noch sehr viel mehr geschrieben. Mary hatte ihrem Herzen Luft gemacht, ihrem Zorn auf Henry freien Lauf gelassen, der zweifellos über diese unglückselige Affäre in Nagasaki Bescheid gewusst hatte. Ob ihn die Regierung dafür bezahle, wollte sie wissen, dass er verwerfliche Beziehungen zwischen anständigen

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