Madame Fabienne
ein kariertes Jackett trug. Das war ja Jean Claude. Was machte er denn da? Er stand nah bei der Fensterfront und telefonierte mit seinem Handy, dabei erschien eine ernste Miene auf seinem Gesicht. Irgendwas stimmte also nicht.
Er kam jetzt ins Lokal und blieb gleich beim Eingang stehen. Warum machte er denn das? Sie hatte ihm doch gesagt, er solle draußen aufpassen.
Ihre Blicke trafen sich, und für eine Sekunde konnte sie auch seine Gedanken aufschnappen. Er war aufgeregt oder sogar in Panik. Irgendwas war hier faul. Sie sah wieder zu Sibel und Achmet, aber die beiden aßen immer noch— man hatte sie bisher nicht bemerkt. Jean Claude ging nun zu der langen Theke und sprach mit einem der Kellner. Bestellte er etwas? So sah es zumindest aus.
Jetzt schlenderte er in ihre Richtung, und man hatte den Eindruck, er wolle sich einen Tisch aussuchen. Ihre Blicke trafen sich wieder: Er wollte sie warnen, aber vor was? Er blieb in ihrer Nähe stehen und fing an, sich einen seiner Halbschuhe zu binden. Er flüsterte, "Du musst hier weg!"
"Warum?"
"Hasan kommt."
Das fehlte gerade noch. Sie nickte Jean Claude zu, um zu zeigen, dass sie ihn verstanden hatte. Schweiß stand ihm auf der Stirn, offenbar nahm ihn die ganze Sache ziemlich mit. Er ging wieder an die Theke und starrte in ihre Richtung.
Jetzt konnte sie Hasan auch entdecken. Durch die Fensterfront sah sie, wie er aufs Lokal zukam. Offenbar war er gut aufgelegt, denn auf seinem Gesicht erschien ein entspannter Ausdruck. Bestimmt wusste er nicht, dass sie hier war. Sie müsste sich sofort verstecken. Gab es hier Toiletten? Ja, aber dann müsste sie dort warten, bis er wieder verschwunden war, und das könnte dauern.
Da entdeckte sie eine Zeitung, die auf einem Stuhl neben ihr lag. Sie hielt sich die aufgeschlagenen Seiten vors Gesicht und tat so, als lese sie. Hasan kam nun ins Lokal. Hatte er sie erkannt? Hoffentlich nicht. Sie lugte an dem Papier vorbei und konnte sehen, wie er zu den beiden anderen ging. Sie unterhielten sich einen Moment, dann holte Hasan sich einen freien Stuhl von einem Nachbartisch und setzte sich zu ihnen.
Bliebe sie noch länger hier drinnen, würde er sie entdecken.
Sie stand also auf und wandte das Gesicht extra von Hasan ab. Sollte sie laufen? Nein. Sie ging an den besetzten Tischen vorbei und schaute zu den eingerahmten Bildern, die an der Wand hingen. Um sie herum wurde geredet, und die Stimmen mischten sich so sehr, dass man nichts mehr verstehen konnte. Ihr fiel auf, wie Jean Claude ein paar Münzen über die Glastheke reichte. Er beobachtete, was sie machte.
"Fabienne?"
Jemand hatte ihren Namen ausgesprochen, wahrscheinlich Hasan. Wer sollte es auch sonst sein?
"Fabienne?"
Diesmal hatte jemand gerufen. Aber gleich wäre sie bei der Glastür, gleich wäre sie draußen. Sie konnte nun hören, wie hinter ihr Stühle gerückt wurden, und auf den Scheiben der Fensterfront konnte sie sehen, wie eine Gestalt in ihre Richtung eilte. Das musste doch Hasan sein. Ihre Schritte wurden schneller, obwohl sie das gar nicht wollte.
Endlich, sie war beim Ausgang und machte die Glastür auf. Als sie über die Schulter zurück ins Lokal sah, schaute Hasan in ihre Richtung. Offenbar war er ihr schon ein Stück weit nachgegangen. Sein beiges Jackett stand ganz offen, und eine bordeauxrote Krawatte hing über sein Hemd. Seine Augen weiteten sich— er hatte sie also erkannt.
Sie fing an zu laufen und musste einigen Passanten ausweichen. Als sie die nächste Straße überquerte, bremste ein Lieferwagen vor ihr, und es wurde wild gehupt. Offenbar hatte sie gerade noch mal Glück gehabt. Aber was war jetzt mit Hasan? Sie konnte nun sehen, wie er aus dem Lokal kam; auf seinem Gesicht zeigte sich ein entschlossener Ausdruck: Er wollte ihr also folgen.
Wo sollte sie jetzt nur hin?
Sie rannte einfach weiter und hielt dabei Ausschau nach einem Geschäft, wo sie sich vielleicht verstecken könnte, doch ihr fiel nichts Passendes auf. Eine Frau mit Kinderwagen kam aus einem der Häuser, und sie hatte Mühe noch rechtzeitig auszuweichen. Sie lief weiter und hörte, wie jemand hinter ihr schnaufte. War das Hasan? Sie rannte über eine mehrspurige Straße und schwitzte nun schon so sehr, dass ihr die Bluse auf der Haut klebte. Wie lange würde sie wohl dieses Tempo noch durchhalten? Sie trainierte doch regelmäßig, warum war sie jetzt schon so erschöpft.
Als es ihr auf einmal in die Seite stach, musste sie langsamer machen und blieb schließlich vor
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