Madame Fabienne
einen geparkten Wagen, einen blauen Audi, "Das ist sein Auto."
"Ah, gut." Was würde eigentlich passieren, wenn der Typ nichts mit Fabienne zu tun hatte? Daran dürfte er erst gar nicht denken, oder? Doch, doch, was wäre denn dann? Er würde Amok laufen, dem farbigen Lulatsch eine Kugel durch den Kopf schießen und sich dann selbst umlegen.
Was für einen Durst er auf einmal hatte, und die Finger zitterten ihm.
"Ist alles in Ordnung, Boss?"
Für einen Moment kreuzten sich ihr Blicke: Hectors Augen wirkten kalt und starr. Er sah gleich woandershin und musste sich räuspern, "Alles in Ordnung." Seine Stimme klang nun wieder fester, "Wir erledigen das jetzt, und wenn wir Fabienne finden, dann bekommst du eine Prämie ausbezahlt."
Hector grinste ein bisschen, schwieg aber.
"Der Typ wird uns zu ihr führen."
"Ich habe mich ein bisschen über diesen Jean Claude umgehört. Eigentlich arbeitet er bei der Öl- & Reifenfabrik im Export, und offenbar verdient er dort auch gut. Aber jetzt sitzt er nicht mehr an seinem Schreibtisch, sondern macht irgendwas Besonderes."
"Eben, er führt uns zu Fabienne." Wie heiß seine Stirn war, hatte er Fieber? War das der Wahnsinn? Vor seinem geistigen Auge konnte er wieder Fabienne sehen: wie sie es in diesem Hotelzimmer in Nîmes gemacht hatten, das war doch seine beste Zeit gewesen. Wie sie auf dem Bett gelegen war, in dieser schwarzen Unterwäsche.
Hector wies nun mit dem Kopf zu einem Wohnhaus auf der anderen Straßenseite, "Da tut sich was."
Die Eingangstür ging nun auf, und ein farbiger Mann erschien. Es war dieser Jean Claude. Der Kerl blieb auf dem Gehsteig stehen und sah nach links und rechts, aber offenbar hatte der sie nicht entdeckt. Der Typ trug ein kariertes Jackett, darunter ein weißes Hemd, bei dem der Kragen offen stand.
Hector fing an zu flüstern, "Was machen wir jetzt?"
"Abwarten." Er strich sich mit einer Hand die Haare aus der Stirn und ließ die Scheibe auf seiner Seite ein Stück nach unten. Jean Claude ging zu seinem blauen Audi und glitt hinters Lenkrad; gleich darauf sprang der Motor an, und der Wagen wurde ausgeparkt.
Es war notwendig, einen Moment zu warten, damit der Abstand groß genug war. Dieser Jean Claude dürfte nicht merken, dass man ihm folgte. Was wäre eigentlich, wenn der Kerl bloß zum Einkaufen fuhr? Am liebsten hätte er gelacht, aber das ging nicht, zumindest nicht wenn Hector dabei war. Hatte er Kopfschmerzen?
Genug.
Didier ließ den Motor an und legte den Gang ein. Schweiß klebte ihm das Hemd auf die Haut, und sein Brustkasten fühlte sich ganz eng an— wenn er doch nur mehr Luft bekommen würde. Was war nur los mit ihm? Jetzt kam es doch darauf an. Die Entscheidung war nah, oder sah er das falsch? Nein, nein, dieser Jean Claude würde sie zu Fabienne führen.
Wenn nicht, gäbe es ein Massaker, aber daran brauchte er erst gar nicht zu denken.
Er wandte sich wieder an Hector, "Wir folgen diesem Jean Claude. Der Kerl wird sich mit Fabienne treffen, und wie sich eine Gelegenheit ergibt, greifen wir zu."
*
Fabienne stand vor dem Café Maxi und lugte noch mal durch die Fensterscheibe, doch Sibel Gündesch war nicht da— ein solcher Zufall wäre auch zu schön gewesen. Vielleicht sollte sie besser woanders warten, denn aus den vorbeifahrenden Autos könnte man sie leicht sehen.
Sie überquerte also die mehrspurige Straße und stellte sich hinter eine der Platanen, die auf dem Gehsteig wuchsen. Es dämmerte bereits, und sie mied das Licht der Laternen. Der Himmel über ihr färbte sich dunkelblau, aber am Horizont gab es noch einen blassroten Streifen. In der Ferne konnte man schräg gegenüber das Café Maxi sehen: Das Transparent über der Fensterfront war eingeschaltet, und der helle Schein fiel auf die Straße, die noch vom letzten Regen nass war.
Wo blieb nur Jean Claude?
Eigentlich sollte er doch schon hier sein. Sie holte das Handy aus ihrer Manteltasche und gab seine Nummer ein. Gleich nach dem zweiten Klingeln meldete er sich: "Hallo?"
"Wo bleibst du denn?"
"Ich bin schon unterwegs."
"Gut. Wie besprochen, am Café Maxi."
Er schwieg.
"Und beeil dich." Sie verabschiedete sich noch und unterbrach die Verbindung. Wie kalt es geworden war. Manchmal frischte der Wind auf, dann fingen die Bäume an zu rauschen, und dabei stießen auch die kahlen Zweige aneinander. Eine Straßenbahn fuhr nun vorbei, und als einer der Menschen darin in ihre Richtung sah, drehte sie sich um, damit man nicht ihr Gesicht erkennen konnte,
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