Madame Fabienne
mal hinterm Vorhang auf die dunkle Seitenstraße: Alles blieb ruhig, und doch wirkte die Nacht bedrohlich auf ihn.
Er müsste von nun an ganz besonders vorsichtig sein. Aber wie könnte er sich denn überhaupt wehren, wenn man ihn angreifen würde?
19
Fabienne saß auf dem Beifahrersitz und schaute noch mal durch die Heckscheibe: Ein Taxi war ihnen einen Zeit lang gefolgt, aber nun bog der Wagen in eine andere Straße ab. Sie sah wieder nach vorn und versuchte, sich noch ein bisschen zu entspannen.
Warum war sie nur so aufgeregt...
Véronique lenkte den Mercedes weiter in die Innenstadt hinein, wo der Verkehr dichter wurde. Die Läden hatten noch zu, und es fiel auf, dass keine Passanten unterwegs waren. Der Himmel färbte sich grauweiß und hing wie eine Decke über der Region.
Fabienne schloss für einen Moment die Augen und lauschte, wie ihr Atem kam und ging. Véronique hatte den ganzen Weg über so gut wie nichts gesprochen, aber eigentlich war das üblich, wenn ein Angriff bevorstand, dann konzentrierte sich jeder auf seine Aufgabe.
Sie müssten versuchen, die Sache heute für sich zu entscheiden.
Véronique fuhr den Mercedes nun auf den Parkplatz und stellte den Wagen so ab, dass sie das Hochhaus beobachten konnten. Von hier aus sah man auch ein Stück der Straße, allerdings standen auf dem Gehsteig kahle Bäume, die ihnen teilweise die Sicht versperrten. Dauernd hielten Autos, es gab viel Betrieb. Sie müssten besonders gut aufpassen, dass sie nicht auffielen.
Fabienne löste ihren Sicherheitsgurt und ließ ihren Blick über die Umgebung streifen, bis sie die Stelle fand, wo sie das letzte Mal Hasan angegriffen hatte. Vielleicht war den anderen nicht klar geworden, was passiert war. Hätte man es doch durchschaut, würde Sibel auch hier besonders vorsichtig sein.
Sie wandte sich an Véronique, "Und du bist dir sicher, dass Sibel kommt?"
"Sicher nicht. Aber sie geht jeden Tag ins Büro, und dort ist nun mal der Eingang. Ich war schon zwei Mal früh am Morgen hier: Einmal kam sie allein, und das andere Mal hatte sie diesen Achmet dabei."
Das wäre natürlich schlecht. "Und dann? Was machen wir dann?"
Véronique zuckte mit den Achseln, "Vielleicht kann ich diesen Achmet in eine Gespräch verwickeln."
Das könnte vielleicht funktionieren. Sibel würde dann allein weitergehen, und sie könnte irgendwo drinnen auf sie warten. "Weißt du, ob Sibel den Fahrstuhl nimmt?"
"Wahrscheinlich, GMN ist im fünften Stock."
Fabienne ließ die Scheibe auf ihrer Seite ein Stück nach unten, damit sie die kalte Morgenluft auf ihrem Gesicht spüren konnte. "Wenn sonst noch jemand bei ihr ist, kann ich nicht angreifen. Es darf keine Zeugen geben."
Véronique zeigte auf den Eingang, "Ich habe mich da ein bisschen umgesehen: Es gibt dort mehrere Firmen, einen Verlag, eine Spedition, ein paar Arztpraxen und eben auch GMN. Du wirst bestimmt nicht auffallen, es sind genug andere Leute da."
"Gibt es Kameras?"
Véronique löste nun auch ihren Sicherheitsgurt und zuckte mit den Achseln, "Mir sind keine aufgefallen."
Was sollte das denn heißen? "Es darf nichts schief gehen."
"Nein, darf es nicht." Véronique machte ihren schwarzen Blazer auf, zog die Pistole hervor und prüfte noch mal die Waffe.
"Du kannst das Ding hier nicht benutzen, das ist dir doch klar, oder?"
"Es ist nur für den Notfall gedacht."
"Notfall?!" Fabiennes Stimme wurde lauter, "Wir dürfen keine Spuren hinterlassen."
"Ich kapier das, es ist ja gut."
Wie sie das alles anekelte, das reichte doch mal wieder. Sie wollte schon aussteigen, wandte sich dann aber doch noch mal Véronique zu: "Du musst mir melden, wenn Hasan kommt. Er darf mich nicht sehen."
"Es wird gut gehen", Véronique schloss eine Hand zur Faust. "Wir schaffen das."
Fabienne ging davon, ohne noch etwas zu sagen. Man hörte die Motoren der vorbeifahrenden Autos, und irgendwo zwitscherten auch Vögel. Der Parkplatz war riesig und nur teilweise belegt, was bedeutete, dass Sibel ihren Wagen nah beim Hochhaus abstellen könnte. Der Weg dorthin war wohl zu kurz, um sie zu manipulieren; außerdem könnte es bei Tageslicht Zeugen geben. Es blieb also nur noch der Fahrstuhl übrig, um sie anzugreifen.
Fabienne ging auf das Hochhaus zu und konnte dabei ihr Spiegelbild auf der Fensterfront sehen: eine schlanke Frau, die Handschuhe trug und einen Wollmantel, der ganz offen stand. In ihrem Gesicht konnte sie erkennen, dass sie angespannt war, aber einem Fremden würde das wahrscheinlich
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