Madame Fabienne
das Gebäude betrat, ging bei dem Aufzug die Metalltür auf. Wenn Sibel sich beeilen würde, könnte sie noch mitfahren— das müsste sie verhindern. Sie wandte sich also der anderen zu, "Entschuldigen Sie."
"Ja?"
"Hier im Haus soll es doch ein Verlag geben."
Sibel zeigte zur Decke, "Da sind Sie genau richtig, im zweiten Stock."
"Im zweiten Stock?"
"Ja", Sibel sah auf ihre Armbanduhr. "Aber ich weiß nicht, ob so früh am Morgen schon jemand da ist."
"Vielen Dank." Sie lächelte ein bisschen, "Ich werde es mal versuchen."
Die drei anderen Frauen standen nun im Fahrstuhl, und die beiden Flügel der Metalltür schlossen sich. Sibel ging zu der langen Reihe von Briefkästen und öffnete einen davon, aber das Fach war leer, denn Achmet hatte die Post ja schon mitgenommen.
Fabienne sah sich um, aber sonst war niemand in der Nähe. Gut. Aber was wäre eigentlich, wenn jemand in einer anderen Etage noch zusteigen wollte? Das könnte sie nicht verhindern, es blieb also ein Restrisiko. Sibel drückte den Kopf, damit der Fahrstuhl wieder ins Erdgeschoss kam. Fabienne sah noch mal durch die lange Fensterfront nach draußen: Zwei Männer kamen gerade aufs Gebäude zu und wären gleich hier.
Endlich, die beiden Flügel der Metalltür glitten wieder auseinander, und Sibel ging in den Fahrstuhl. Fabienne folgte ihr: "Ich möchte auch nach oben." Ob Sibel merkte, dass sie nicht den Knopf für den zweiten Stock gedrückt hatte?
Die beiden Männer kamen nun ins Gebäude, und einer von ihnen zeigte in ihre Richtung, doch in diesem Moment schloss sich die Metalltür schon wieder: Jetzt war sie allein mit Sibel. Sie stand ganz gerade da und fing an, sich zu konzentrieren, "Es ist der zweite Stock, haben Sie gesagt?"
"Ganz bestimmt."
Jetzt müsste sie angreifen: Ihr Blick drang durch Sibels Augen in ihren Körper hinein. Sie taumelte und hielt sich mit einer Hand fest, so gut es ging. Ihr Mund stand offen, und sie wollte etwas sagen, aber man hörte nur unverständliche Laute. Fabienne trat noch näher an sie heran, und jetzt waren ihre Gesichter so dicht beieinander, dass sie sich fast berührten.
"Du kannst mich hören, nicht wahr?"
Sibels Augen waren aufgerissen und sahen starr aus. Sie nickte.
Fabienne fing an zu flüstern, "Du wirst machen, was ich dir auftrage. Sag ja."
"Ja."
"Du kannst nur noch meine Stimme hören, sonst verschwindet alle. Gib mir ein Zeichen, wenn es stimmt."
Sibel nickte.
Wie viel Zeit blieb ihr wohl noch, bis sie im fünften Stock ankommen würden? Nur wenig. Sie müsste sich also beeilen. Sie schickte wieder ihre Gedanken los: Du wirst deine Firma verkaufen, wenn man dir ein Angebot macht.
Es kam keine Reaktion.
Der Fahrstuhl hielt nun, und die beiden Flügel der Metalltür glitten auseinander. So konnte man ein Stück des Flurs einsehen, offenbar war niemand da. Fabienne fing wieder an zu flüstern, "Du wirst GMN verkaufen."
Sibel nickte.
"Du wirst die Firma verkaufen, du wirst verkaufen. Sag ja."
"Ja."
"Du wirst verkaufen."
"Ja."
Fabienne lief nun auf den Flur und zwang sich, schon nach ein paar Metern zu gehen. Es war so still, dass man ihre Schritte auf den Fliesen hörte. Da ging eine der Türen auf, und ein stämmiger Mann erschien: Es war dieser Achmet Sowieso. Er hatte einen Ordner unterm Arm und kam in ihre Richtung. Hinter ihr polterte irgendwas zu Boden, und als sie über die Schulter sah, streckten sich zwei Beine aus dem Fahrstuhl— offenbar war Sibel umgekippt. Wahrscheinlich hatte sie eine viel zu hohe Dosis abbekommen.
Die Metalltür konnte nicht schließen, weil Sibel auf der Schwelle lag— Achmet würde sie wahrscheinlich gleich entdecken. Fabienne wandte sich wieder um, aber da stand der stämmige Aufpasser schon vor ihr. Er lächelte ihr zu, "Suchen Sie jemand?"
"Äh... ja, den Verlag, bitte."
"Ah, da sind Sie zu weit gefahren. Die Büros sind im zweiten Stock." Achmet zeigte auf den Fahrstuhl.
"Vielen Dank." Fabienne hastete an ihm vorbei und konnte spüren, dass er ihr nachsah. Als sie zum Treppenhaus kam, hörte man, wie Achmet aufschrie: Er musste seine Chefin gefunden haben. Fabienne fing an zu laufen und hielt sich dabei mit einer Hand am Geländer fest.
Ihr Handy meldete sich auf einmal. Aber wenn sie antworten wollte, müsste sie langsamer machen. Wahrscheinlich war es Véronique, die anrief. Sie ging ein Stück weit und wühlte dabei mit einer Hand das klingelnde Gerät aus der Manteltasche: "Ja?"
"Ich bin's." Es war Véronique. "Hasan kommt. Pass
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