Madame Fabienne
Moment die Sprache: Der Typ war unberechenbar.
Vielleicht könnte ihm jemand helfen, aber wer denn? Die Leute aus der Fabrik vielleicht. Vorhin hatte er noch bei Bikem Taschkan angerufen und gemeldet, dass man wieder ein Angebot unterbreiten sollte, und sie hatte ihm deswegen aufgetragen, bei ihr zu erscheinen, und zwar sofort. Man würde doch merken, wenn er nicht käme, oder? Natürlich, aber würde man auch etwas unternehmen?
Hin und wieder hatte ihn ein BMW verfolgt, was bestimmt die Leute vom Sicherheitsdienst gewesen waren, aber jetzt konnte er keinen dieser Wagen entdecken. Vielleicht observierten sie noch die Villa auf der Schwanthaler Allee. Aber was wäre, wenn Bikem Taschkan diese Männer abgezogen hatte? Vielleicht konzentrierte man sich jetzt auf diese Sibel Gündesch und brauchte dort die Leute. Wie er auf einmal schwitzte. Es könnte also gut sein, dass ihm niemand zu Hilfe kam. Er müsste selbst etwas unternehmen, aber was?
Sie erreichten nun den Stadtteil Süd und fuhren auf der Mundenheimer Straße. Es gab nur noch wenig Verkehr, und sie kamen schnell voran. Links und rechts befanden sich die Häuserzeilen, manchmal mit Läden im Erdgeschoss, aber fast alle hatten schon geschlossen. Der Regen wurde nun heftiger, und dieser Hector stellte die Wischer eine Stufe höher.
Der andere wandte sich wieder an ihn, diesmal war seine Stimme ganz leise, "Hast du es eigentlich mit ihr gemacht?"
Er musste sich räuspern, "Mit wem?"
"Mit Fabienne natürlich."
Wie der andere ihn anstarrte! Wenn er jetzt ja sagen würde, dann hätte er ne Kugel im Kopf. Verdammter Mist, er müsste sich hier rausreden. "Nein, nein. Für mich war das doch nur ein Auftrag, den ich von der Fabrik bekommen habe. Ich sollte Madame Fabienne fahren. Mehr nicht."
"Und das ist alles?"
"Sonst bin ich doch in der Export-Abteilung, man hat mir diesen Auftrag aufgezwungen."
"Aber sie ist doch ganz charmant, nicht wahr?! Es muss dir doch durch den Kopf gegangen sein."
Er müsste jetzt wohl etwas sagen: "Also, um ehrlich zu sein, Madame Fabienne hat da eine rothaarige Freundin. Sie heißt Véronique, kennen Sie die Frau?"
Der andere schwieg.
"Also, Madame Véronique finde ich ganz nett. Mit ihr würde ich mich gern privat treffen."
Der andere zögerte einen Moment und lehnte sich dann ein Stück auf der Sitzbank zurück, ohne noch etwas zu sagen.
Jean Claude versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. So wie es aussah, hatte der Kerl seine Lüge geglaubt. Gut.
Dieser Hector bog nun auf die Wittelsbach Straße, und sie kamen am Amtsgericht vorbei und gleich darauf auch bei der Endschleife der Straßenbahn. Ob er irgendwie aus dem Wagen springen könnte? Nein, das würde nie klappen. Verdammter Mist. Der Regen wurde jetzt noch heftiger, und sie mussten langsamer fahren.
Sie erreichten die Drehbrücke, und das Hafenbecken befand sich unter ihnen. Das Wasser war ganz dunkel und aufgewühlt. Gleich wären sie da, und wahrscheinlich könnte ihm niemand helfen. Also, was sollte er jetzt machen? Vielleicht waren die beiden einen Moment unachtsam, und er könnte fliehen. Ob dieser Hector auch eine Waffe hatte? Gute Frage.
Sie kamen nun auf die Schwanthaler Allee, wo außer ihnen niemand mehr unterwegs war. Die Scheinwerfer schnitten durch die Nacht, und der Regen prasselte auf die Straße. Der Himmel war ganz schwarz, und man sah, wie dort helle Wolkenfelder zogen. Der andere Typ wandte sich wieder an ihn, "Wo ist es jetzt?"
Er zeigte auf das Grundstück 228, "Dort drüben."
Hector hielt mit dem Wagen, und sie schauten zum Anwesen hinüber. Das Eingangstor stand offen, und in der Villa brannte im ersten Stock Licht— jemand war also da. Manchmal kam der Wind auf und ließ die Platanen auf dem Mittelstreifen rauschen. Die Laternen warfen ihren fahlen Schein auf die am Gehsteig geparkten Autos und erhellten das Grundstück, doch es gab dort auch Stellen, die so finster waren, dass man sie nicht einsehen konnte.
Ob er in die Dunkelheit entkommen könnte? Wäre das möglich?
Der andere neigte sich jetzt ein Stück weit zu ihm, "Das ist Fabiennes Haus?"
"Ja."
"Du bist dir sicher?"
Er schwieg.
Der andere sprach jetzt wieder leiser, "Wir werden jetzt reingehen, hörst du?! Und wenn Fabienne nicht da ist, dann schieß ich dir auf der Stelle ne Kugel durch den Kopf. Hast du das verstanden?"
Jean Claude schwieg.
"Hast du das verstanden?"
"Ja."
"Gut." Der andere wandte sich nun an Hector: "Wir gehen rein."
"Vielleicht ist es besser, wenn
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