Madame Lotti
Anzahl ihrer Helferzellen möglichst zwischen hundertfünfzig und dreihundertfünfzig liegen. Helferzellen sind eine Untergruppe der weissen Blutkörperchen und für das Immunsystem äusserst wichtig. Das Aidsvirus tötet diese Zellen ab, was mit der Zeit zu einer Schwächung der körpereigenen Abwehrkräfte führt. Ist die Anzahl der Helferzellen zu tief, kann die Therapie für den Patienten tödlich sein, ist sie zu hoch, macht die allzu frühe Medikamentenabgabe keinen Sinn, da sie viele unangenehme Nebenwirkungen hat. Die Patientinnen dürfen, weil eines der Medikamente eine eventuelle Blutarmut verschlimmert, keinen zu tiefen Hämoglobinwert haben, was die Mütter hier aber – wegen der schlechten Ernährung – eigentlich konstant haben. Kommt dazu, dass die Medikamente pünktlich auf die Minute genau genommen werden müssen, da sich sonst Resistenzen entwickeln. Das heisst, die Mütter benötigen nicht nur dringend eine Uhr, sie müssen auch lernen, die Zeit zu lesen. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Menschen hier nur alle zwei, drei Tage etwas essen können. Woher sollen die Mütter also plötzlich Nahrung nehmen, um vor der Medikamenteneinnahme etwas im Magen zu haben? Und das dreimal pro Tag?! Lotti kämpft an allen Fronten. Fitnesstraining braucht sie nicht.
Als die Kleinen versorgt sind, machen wir uns zum Kiosk auf. Ich bestelle Schwarztee und Baguette, verscheuche die Fliegen, die wie immer überall sitzen. Gestern sogar zwei auf Antoines Augen!
Später im Ambulatorium sehen wir Adelaide total erschöpft unter dem Sonnenschirmbaum sitzen. Sie warte auf den Doktor, sagt sie. Sie habe einen Malariaanfall und werde heute wohl nicht zum Nachtmarkt kommen können. Lotti setzt sich zu ihr, fühlt ihre Stirne, auf der durchsichtige Schweissperlen glitzern. Grössere und kleinere. Immer neue. Man sieht geradezu, wie sie sich bilden. Lotti erklärt mir, dass der Arzt Adelaide Mittel gegen Malaria und gleichzeitig auch Antibiotika geben werde.
«Da uns die Malaria keine Zeit lässt, auf Testergebnisse zu warten, die eine Infektion ausschliessen, behandeln wir beides gleichzeitig.»
Kriegsmedizin!
Monate später tobt der Krieg auch in Lotti. In Form einer Malaria, die nicht aufhören will. Als Lotti sie endlich besiegt glaubte, besuchte sie ihre Familie, die in Hammamet Ferien machte. Erlitt dort einen erneuten, noch weit heftigeren Schub und wünschte sich nach Afrika zurück. Nicht nur, weil sie dort zu Hause und nicht in einem Hotel gewesen wäre, sondern weil die Ärzte im Ferienort keine Erfahrung mit Malaria hatten. Lotti, das mailte mir Aziz, hätte ebenso gut sterben können.
Rückblickend war ich froh, dass ich mich dazu entschlossen hatte, mich der Prophylaxe gegen diese Tropenkrankheit auch vor meinem dritten Besuch zu unterziehen. Es waren die Nebenwirkungen – leichte Übelkeit und Schwindel –, die mich zögern liessen. Ausschlaggebend war dann aber ein Merkblatt, das mir der Tropenarzt Dr.Kurt Markwalder mit den Worten in die Hand drückte: «Sie wollen keine Prophylaxe? Dann lesen Sie mal, was ich zu dieser Krankheit geschrieben habe»:
Malaria ist eine Infektionskrankheit, deren Erreger – so genannte Plasmodien – durch den Stich von Anopheles-Mücken übertragen werden. Diese Plasmodien gelangen vorerst über die Blutbahn in die Leber, wo sie einen Reifungsprozess durchmachen und sich vermehren. Nach einer Verweilzeit von mindestens 5–6 Tagen – z. T. aber bis zu mehreren Wochen oder Monaten – gelangen die Parasiten von der Leber erneut ins Blut, wo sie in rote Blutkörperchen eindringen und sich in diesen weiter vermehren. Nach 2–3 Tagen zerplatzen die befallenen roten Blutkörperchen. Erst in diesem Moment verspürt der Infizierte erstmals etwas von seiner Krankheit. Die ganze vorangehende Entwicklung verursacht keinerlei Beschwerden, und die Infektion ist vorher mit den üblichen Labormethoden auch nicht nachweisbar
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Es gibt mehrere Malariaarten, welche den Menschen befallen können. Die gefährlichste, welche unbehandelt rasch tödlich verlaufen kann, ist die Malaria tropica, verursacht durch den Erreger Plasmodium falciparum. Sie kommt vor allem im tropischen Afrika vor
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Die Malaria tropica kann sich in wenigen Stunden lebensgefährlich entwickeln und stellt auch bei prompter Behandlung immer eine sehr unangenehme Erkrankung dar
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Klassischerweise manifestiert sie sich mit plötzlich hohem Fieber, begleitet von Schüttelfrost. Meist sind starke Kopfschmerzen
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