Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
verblasste zu Gelb und dann zu dunklem Gold.
»Das Mittel beginnt zu wirken. Wir nennen es ›Die Kur‹«, sagte Dr. Stevenson. Ihre Stimme echote von den Wänden wider.
Ich sackte nach vorne, aber eine Hand schob mich auf meinen Sitz zurück, und dann schien ich ins Leere zu fallen.
Ich schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete, saß ich in einem altmodischen Klassenzimmer, wie meine Mom es immer beschrieben hatte. Es gab Tische in ordentlichen Reihen, die nach vorne zum Lehrer ausgerichtet waren. Dort stand ein Mann in mittlerem Alter mit schwarzem Bart und Brille, der lebhaft sprach und mit den Händen fuchtelte. Vor mir saß ein Schüler, den ich nicht kannte, und schaute auf seinen Computer. Der Bildschirm gab die Worte des Lehrers als Fließtext wieder. Ab und zu tippte der Schüler eine Bemerkung daneben. Das Ganze war vorsintflutlich. Als sei ich mit einem Sprung mehrere Jahrzehnte in die Vergangenheit versetzt worden.
Ich schaute zur Seite und erstarrte. Auf der anderen Seite des Mittelgangs saß Justin. Als ich mich weiter umblickte, sah ich außerdem Clare, Noah, Pat, Scott und Molly. Ich entdeckte Erin, mit der ich immer zum Fußball gefahren war, einige alte Online-Freunde und sogar Jake und Riley, die ich nur recht flüchtig durch Justin kannte. An der Wand hing ein Poster mit dem Periodensystem der Elemente und ein Schema zur Pflanzenbestimmung. Was tat ich hier? Ich betrachtete Justin von der Seite, während er sich Notizen machte. Wie üblich benutzte er einen Stift. Als Einziger in der Klasse schrieb er mit der Hand.
Ich fühlte die Energie zwischen uns knistern, weigerte mich aber zu glauben, dass er real war. Als ich nach Justins Arm griff, fühlte sich seine Haut warm und vertraut an. Ich ließ meine Hand dort liegen. Das kam mir ganz natürlich vor. Er schaute mich an und grinste.
Dann lehnte er sich näher. »Hör auf, mir auf die Lippen zu starren«, flüsterte er.
Ich konnte hören, wie sein Schuh über den Boden streifte. Ich fühlte die Hitze seines Körpers. Ich war so erleichtert, ihn bei mir zu haben, dass ich am liebsten geweint hätte. Ich umklammerte seinen Arm, bis die Knöchel weiß hervortraten.
»Was ist denn los?«, fragte er.
»Justin, was tust du hier?«, flüsterte ich. »Wo sind wir?«
Sein Grinsen verschwand. »Ist mit dir alles in Ordnung?«
Das war der Moment, in dem die Explosionswelle uns traf. Wir fühlten sie, bevor wir sie hörten, als würde ein Tsunami gegen die Schulwand schmettern. Dann splitterten die Fenster nach innen, und der Luftdruck war so stark, dass er mich von meinem Stuhl fegte. Ich wurde nach vorne geschleudert und spürte einen brennenden Schmerz, der mein Bein durchschnitt. Noch immer flog ich durch die Luft, eingehüllt von einer Hitzewolke, bis meine Schulter krachend gegen die Betonwand schmetterte.
Als Nächstes hörte ich die Schreie. Ein hoher, vielstimmiger Chor, der schlimmer war als die Explosion. Sie hingen in der Luft, bis sie von dem Donnern übertönt wurden, als Holz und Stahlbeton nachgaben und unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrachen. Ich versuchte, den Kopf mit den Armen zu schützen, doch die einstürzende Decke begrub mich unter einem Schauer aus Holzsplittern und Betonbrocken.
So schlagartig wie der Lärm begonnen hatte, endete er wieder. Plötzlich herrschte Stille um mich herum. Ich versuchte, den Kopf zu heben, aber er fühlte sich zu schwer an. Der Boden um mich herum war feuchtwarm. In der Nähe wimmerte jemand. Ich öffnete blinzelnd die Augen und starrte auf den blauen Himmel über mir. Sonnenstrahlen fielen durch eine dichte Staubwolke. Wie war ich nach draußen gelangt?
Um mich herum hörte ich Menschen keuchen und husten. Mauerreste fielen in sich zusammen und wirbelten zusätzliche Aschewolken auf. Ich versuchte mich zu bewegen, aber ich steckte fest. Als ich mich aufrichten wollte, schoss ein Schmerz durch mein Bein, der mich nach Luft schnappen ließ. Ich drückte die Hand auf die Stelle und stellte fest, dass meine Jeans zerrissen und nass war. Wo sich mein Knie befinden sollte, war ein offenes Loch. Meine Finger berührten weiches, geschwollenes Fleisch, und der Schmerz war so heftig, dass ich mich fast übergab. Ich war mir nicht sicher, ob mein Bein unter dem Knie völlig abgetrennt war. Meine Hände waren klebrig von Blut. Beißende Galle stieg in meiner Kehle hoch und quoll mir aus dem Mund. Ich wollte mich auf die Seite rollen, aber mein Bein steckte unter einem Haufen aus Glasscherben
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