Maddie - Der Widerstand geht weiter (German Edition)
bis er die Waffe hervorzog. Schließlich kannte ich das Ende der Geschichte. Und ich wusste, welche neue Geschichte damit anfangen würde.
Ich drehte mich um und begann zu rennen.
»Dad!«, schrie ich, als die ersten Schüsse durch den Flur hallten und den Boden unter mir vibrieren ließen. Ich versuchte, mich durch die Gruppe hindurchzudrängen, aber da fiel ein Körper gegen mich und warf mich zu Boden. Ich kämpfte mich unter seinem zuckenden Gewicht hervor. Schreie echoten von den Wänden. Die Glaswand des Büros zersplitterte und regnete auf mich nieder. Ich wollte die Augen schließen, aber sie gehorchten mir nicht und starrten weit aufgerissen umher.
Als ich mich aufrappeln wollte, rutschte ich in einer Blutlache aus und fiel in die Glasscherben. Der ganze Boden war nass, rot und glitschig. Menschen schrien. Türen wurden aufgerissen. Weitere Schüsse fielen. Blutspritzer bedeckten die Wände. Körper türmten sich übereinander, einige regten sich noch. Ich versuchte mich zu erheben, konnte aber meine Hände nicht benutzen. Schritte knirschten auf den Glassplittern und aus dem Augenwinkel sah ich die rote Winterjacke. Ich schaute auf und starrte in die Mündung einer Waffe. Sie befand sich nur Zentimeter von meinem Kopf entfernt, war zwischen meine Augen gerichtet und zitterte kaum merklich. Ich spürte den Einschlag im gleichen Moment, als das Dröhnen des Schusses in meinen Ohren hallte. Es fühlte sich an, als würde man mir den Schädel mit einem Baseballschläger einschlagen. Einen Moment gab es nur noch die Hitze und den Druck hinter meiner Stirn, dann verschwand der Schmerz und ich driftete fort.
Kapitel Sechsundzwanzig
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»Wach auf, Madeline.«
Gabes Stimme klang weit entfernt und hallte wie durch einen Tunnel. Ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken, aber meine Arme waren zu schwer.
»Wach auf.«
Mir gelang es nicht einmal, die Augen zu öffnen. Sie fühlten sich wie zugenäht an. Ich bewegte die Augäpfel unter den Lidern, die als schützende Vorhänge zwischen mir und der Außenwelt lagen. Blind zu sein hatte seine Vorteile. Wenigstens brauchte man nicht mit anzusehen, wie die Welt um einen herum in Stücke fiel.
»Wir müssen los. Es ist fast Mitternacht«, drängte Gabe.
Er schaltete die helle Deckenlampe an, sodass sich der Vorhang meiner Augenlider von schwarz zu orangerot verfärbte. Eine warme Hand berührte meinen Arm, und ich zuckte mit einem panischen Geräusch zurück und rutschte auf der Matratze nach hinten. Ich wickelte die Decke fester um mich und weigerte mich nun erst recht, die Vorhänge zu öffnen.
»Was ist denn los mit dir?«, fragte er. Dann hörte ich ihn murmeln: »Oh, verdammt.«
Mir war klar, was er sah. Ich hatte mich wieder übergeben. Der säuerliche Geruch hing überall in meinem Bettzeug. Die Haare klebten mir am Gesicht. Meine Kleidung war schweißnass und selbst das Bettlaken schien durchtränkt zu sein. Ich rollte mich in Embryostellung zusammen. Die Plastikmatratze knisterte unter meinem bebenden Körper. Endlich überwand ich mich, das eine Auge einen Spalt weit zu öffnen. Der Raum wirkte verschwommen. Gabe lehnte sich herunter und schaute mich an.
»Ich dachte, die Albträume wären vorbei«, flüsterte er. Meine Lippen zitterten so sehr, dass ich keine Antwort herausbekam.
»Ich hebe dich jetzt auf und trage dich, in Ordnung?«, fragte er. »Keine Sorge, ich bewege mich ganz langsam.«
Vorsichtig schob er seine warmen Hände unter mich und hob mich aus dem Bett. Ich verbarg mein Gesicht an seinem Hals und presste den Kopf gegen seine Brust, weil ich das Leben darin spüren wollte, den Atem, das Blut, den Herzschlag. Er trug mich den Flur entlang bis ins Bad und setzte mich erst ab, als wir uns in der Duschkabine befanden. Dort stützte er mich, bis ich auf eigenen Füßen stehen konnte.
»Spül dich ab«, sagte er. »Ich hole dir frische Kleidung.«
Nachdem er gegangen war, schälte ich mich aus der feuchten, klebrigen Anstaltsuniform und warf sie an der Wand zu Boden. Ich drückte den Duschknopf, und heiße Strahlen prasselten nadelspitz auf meine Haut. Das Gefühl sorgte dafür, dass ich die Augen endlich aufriss. Ich japste nach Luft und spürte, wie meine Lungen sich dehnten. Nachdem ich ein paar Schritte zurückgewichen war, hielt ich nur die Hände in den Strahl. Meine Finger waren so eisig, dass sie ganz taub wirkten. Das heiße Wasser brannte auf jeder meiner Fingerkuppen und weckte mich langsam aus meiner Benommenheit. Meine
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