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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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mehr Empfinden als Zuhören, und aus diesem Gespür heraus konnte er gute Stimmung verbreiten, aber dann musste es gleich schnell weitergehen.«
    Ove war ein Patriarch, sein Wort war Gesetz. Die Kinder halfen ihm, für die morgendliche Rasur den Schaum aus der Dose herauszudrücken, und waren auch ansonsten bei allem dabei, was er unternahm. Der jüngste Sohn Henning erinnert sich aber, dass es nicht immer leicht war, mit so einem raumgreifenden Vater umzugehen: »Ihr müsst auf euren Vater aufpassen, sagte meine Mutter immer. Natürlich wollten wir das, aber es war schwer. Es gab für uns Kinder nicht besonders viele Möglichkeiten, zu protestieren, geschweige denn irgendeine Art von Demokratie. Wir wurden ein bisschen abgestellt, finde ich. Wenn man so will, hatten wir ja die ganze Zeit den Auftrag, auf ihn aufzupassen, und das ist im Nachhinein betrachtet eine ziemlich große Verantwortung für ein Kind.«
    Wenn der Vater arbeitete, musste Ruhe herrschen. Rückte eine Theaterpremiere näher, was vier bis fünf Mal im Jahr der Fall war, war Ove gereizt. Eva ermahnte die Kinder, ihren Vater nicht anzusprechen. »Wenn Leute gestresst sind, entsteht ja so eine Mauer um sie herum. Kurz vor einer Premiere habe ich kein Wort mehr gesagt«, erzählt Sven. »Nun passierte das ja nicht so oft, aber einfach nur zu wissen, dass es kommen würde, machte einem Angst. Am schlimmsten war es, wenn die Stimmung nicht vorhersehbar war. Einmal verbrannten wir die alten kaputten Plastikschutzumschläge unserer Schulbücher im Garten, als er stinksauer wurde. Das hatte ich nicht kommen sehen. Andere Male war er wieder ganz liberal.«
    Ove selbst war nicht bewusst, dass er so unerträglich gewesen sein sollte: »Ich denke, ich bin einfach still, na ja, vielleicht ein bisschen reizbar , doch im Grunde meines Herzens glaube ich, dass ich zu Hause genauso nett bin wie sonst. Aber ich will gern zugeben, dass ich in den letzten Tagen vor einer Premiere etwas merkwürdig bin. Ich lebe rund um die Uhr in dem Stück, der Text schwirrt mir im Kopf herum, und nach der Premiere bin ich enttäuscht, wenn sie nicht gelungen ist, aber ich kann nicht sagen, dass es mir allzu nahe geht. Meistens wartet ja schon die nächste Aufgabe.«
    Auch auf Oves Stimme musste Rücksicht genommen werden. Die Jungen wurden oft gefragt, ob Spielkameraden erkältet oder anderweitig krank wären, oder ob sie es vor kurzem waren. Eva und Ove hatten große Angst, dass Ove krank werden oder seine Stimme verlieren würde und eine Theatervorstellung absagen müsste.
    »Ich kann mich erinnern, dass wir immer mal einige Auseinandersetzungen hatten, weil Ove so streng war, aber das ist auf Dauer nicht so geblieben. Seine sanftere Seite trat mit fortschreitendem Alter immer mehr hervor. Bei allen künstlerischen Geburten, durch die er musste, kann ich gut verstehen, dass er manchmal etwas unzugänglich war«, sagt der mittlere Sohn Jørgen und ergänzt: »Wenn er denn mal zu Hause war, war er sehr geschäftig. Wir waren dann zwar zusammen, aber er war immer am Arbeiten. Wir Kinder wollten unbedingt in seiner Nähe sein, zum Beispiel beim Heckeschneiden. Ich weiß aber noch, dass ich mehrmals dachte, er würde mir etwas erzählen, und ich sah zu ihm hoch und wollte antworten, aber dann merkte ich, dass er beim Heckeschneiden Texte lernte.«
    Manchmal hatte er fixe Ideen. Nach einigen Jahren mit Koksfeuerung ging Familie Sprogøe zu Petroleum über. Eine Wahl, die ziemlich schnell von der modernen Fernwärme infrage gestellt wurde, doch Ove bestand weiterhin auf seinem Petroleumofen. Er war überzeugt, dass eine Zentralheizung die Schleimhäute austrocknen und er möglicherweise seine Stimme verlieren würde. »Wir wollen für unsere Wärme arbeiten«, lautete die Parole.
    Ove Sprogøe hatte höchsten Respekt vor der Zuverlässigkeit des Handwerks und mied moderne Maschinen. In den Augen der Kinder war das oft mehr unfreiwillig komisch als eigentlich praktisch. Lieber schleppten sich Eva und Ove bis ins hohe Alter mit Petroleumkanistern ab. Ob Fernwärme die Schleimhäute austrocknet, sei dahingestellt, aber jeder weiß, wie stark Petroleum riecht, wenn auch nur ein bisschen ausläuft. Das schien Ove allerdings nicht zu bemerken. Und dass er im späteren Leben nicht mehr mit dem Fahrrad, sondern im Bus zur Arbeit fuhr, lag nicht daran, dass er zu alt geworden war, er wollte nur das Erkältungsrisiko so gering wie möglich halten. Theaterschauspieler sind sowieso selten krank, aber

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