Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
Pech haben, dann bestehen irgendwo in diesem Land auch gerade zwei Polizisten darauf, dass man nach der Toten erst in 48 Stunden suchen darf.«
»Ach du Schande, klar, das wird es sein. Sie ist erst kürzlich verschwunden und noch nicht offiziell gemeldet.«
»Wir müssen wohl ein Foto an die Medien geben. Von der Toten, meine ich.« Bastian Kreuzer hebt nachdenklich das Hochzeitsfoto der Mönchinger hoch. »Wollen wir hoffen, dass wir dieses nicht auch noch brauchen werden.« Und mit einem trockenen Lachen fügt er hinzu: »In jedem Fall ist es ansehnlicher als alles, was der Polizeifotograf uns liefern wird. Aber man soll die Hoffnung nie aufgeben. Vielleicht hat er ja ein Porträt für uns, das nicht ganz so gruselig aussieht. Und wenn das nachher in der Tagesschau kommt, dann wissen wir auch mit letzter Sicherheit, ob es sich bei der Toten nicht doch um Frau Mönchinger handelt. Irgendeine Nachbarin würde sie bestimmt erkennen.«
»Gute Idee. So können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
»Hoffentlich. Regelst du das mit den Medien? Dann kann ich in der Zwischenzeit mal nach dem Bruder von dieser Marga Mönchinger suchen. Nur der Vollständigkeit halber. Muss ein etwas schräger Kerl sein, wenn man seinem Schwager glauben darf.«
Während Sven den Raum verlässt, fährt Bastian den Rechner hoch. Und es dauert nicht lange, bis er fündig wird. Smentek Lavro, ein hagerer junger Mann mit strahlend blauen Augen und ebenso rotem Haar wie seine Schwester, ist polnischer Staatsbürger und mehrfach wegen Hehlerei und Autodiebstahls vorbestraft. Vor drei Jahren hat er sogar sieben Monate im Knast verbracht, im Anschluss daran aber relativ schnell einen Job gefunden. Er ist in Bremen als Verkäufer bei einem Autohändler angestellt. Wie passend, denkt Bastian. Dann fällt ihm auf, dass er gar nicht weiß, wie lange die Hochzeit der Mönchingers zurückliegt. War das vor oder nach der Haftstrafe des Bruders? Und warum ist der Typ überhaupt zur Hochzeit gekommen?
Fragen, die Hubert Mönchinger ihm sicher beantworten könnte. Allerdings wird Bastian erst einmal die abendliche Tagesschau und mögliche Reaktionen auf das Foto der Toten abwarten. Danach ist immer noch Zeit, sich mit den familiären Besonderheiten der Verschwundenen zu beschäftigen – falls sie nicht irgendwann doch von ganz allein wieder auftaucht.
Freitag, 17. Juni, 22.36 Uhr,
Apartmenthaus am Dorfteich,
Wenningstedt
Tropfend kommt Fred Hübner aus der Dusche. Schnell rubbelt er sich trocken und zieht die Boxershorts über, dann greift er nach der Jeans und dem T-Shirt, die auf einem Korbstuhl im Bad bereitliegen. Fred graut noch immer vor jedem längeren Aufenthalt in seinem Schlafzimmer. Zumindest tagsüber. Nachts zieht er sich im Dunkeln aus und morgens holt er in aller Eile die Kleidung aus dem Schrank. Dabei vermeidet er jeden Blick auf das komfortable Polsterbett, das er im letzten Sommer gleich nach der Renovierung gekauft hat. Obwohl die Maler ganze Arbeit geleistet haben und wirklich nicht die winzigste Spur von den Blutflecken geblieben ist, die damals den gesamten Raum verunstaltet haben, sieht Fred die roten Spritzer immer noch vor sich. In vielen unendlich quälenden Träumen haben sie sich durch seine Lider gebohrt und ihm die Nachtruhe geraubt. Vielleicht hätte er nach dem furchtbaren Mord die Maisonette doch verkaufen sollen.
In der unteren Etage fühlt er sich wohler. Während die Maschine einen Espresso zubereitet, klickt Fred sich durch seine E-Mails. Gestern früh hat er den Umweltaktivisten Jens-Uwe Behrmann angeschrieben. Es ist nicht der erste Kontakt zwischen den beiden. Als Werber weiß Behrmann genau, was es für seine politischen Ambitionen heißen könnte, wenn ein prominenter Journalist wie Fred Hübner über ihn berichten will. Trotzdem haben bisher weder sein Büro noch er selbst auf Freds Bitte um einen Interview-Termin geantwortet. Vielleicht nach dem Wochenende, denkt Fred und überlegt, ob Behrmann eigentlich auf der Insel wohnt. Dann fällt ihm aber das alte Bauernhaus in der Nähe von Husum ein. Das Hamburger Abendblatt hat letztens in seiner Wochenend-Ausgabe eine Homestory über den Politiker mit herzigen Fotos von Behrmanns Gattin und den drei Kindern vor dieser malerischen Kulisse gebracht. Da wird die Familie wahrscheinlich nicht noch ein Ferienhaus auf der Insel haben. So viel Schotter kann auch ein Jens-Uwe Behrmann in seinem kurzen Leben nicht verdient haben.
Aber das alles und noch
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