Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
kann diesen Gedanken, so abstrus er ihm anfangs vorgekommen ist, einfach nicht aus seinem Hirn verbannen. Vielleicht hat Christa die verhasste Schwägerin in jener Nacht gar nicht aus dem Haus getrieben, sondern sie wehrlos gemacht, sie gar gefesselt und geknebelt, vielleicht hat Marga sogar tagelang hier im Keller gelegen. Versteckt von einer boshaften und zu allem entschlossenen Feindin, die nur auf die Gelegenheit wartete, sie endgültig zu vernichten. Und als die Polizei ihn dann festgenommen hat, konnte die Gelegenheit kaum günstiger sein.
Immer wieder muss Hubert sich vorstellen, wie Christa ihre Hände um den Schwanenhals von Marga legt und so lange zudrückt, bis alles Leben aus dem geliebten Körper weicht. Und vorher hat sie sie gequält, sie hat Margas ganzen Körper mit winzigen Schnitten überzogen, die Gefesselte hat sich ja nicht wehren können und wer weiß, vielleicht hat Christa Marga sogar gezwungen ihr alle Details der ihm so heiligen schmutzigen Nächte zu offenbaren.
Und das ist die Kernfrage: Weiß Christa von ihren sündigen Spielchen? Ist ihm auch dieses letzte Geheimnis genommen? Wird ihn die Schwester mit ihrem Wissen von jetzt an peinigen?
Hubert Mönchinger schließt die Augen, um das Ehebett nicht mehr sehen zu müssen, vor dem er die ganze Zeit gestanden hat. Wo ist Christa eigentlich? Und hat sie nicht ziemlich kühl auf seine Freilassung reagiert? Fast schon etwas verwirrt, wenn er es genau überdenkt. Vielleicht ist ihr der Zeitpunkt gar nicht recht, vielleicht hat sie noch nicht alle Spuren verwischt und die Polizei könnte durchaus noch etwas finden hier im Haus, wenn er sie nur alarmieren würde. Aber was wäre, wenn er sich täuscht? Unmöglich kann er diese Ermittler auf Christas Spur setzen. Nein, wenn es etwas zu finden gibt, dann muss er schon selbst dahinterkommen, und das so schnell wie möglich.
Ohne über sein weiteres Vorgehen nachzudenken, verlässt Hubert Mönchinger das eheliche Schlafzimmer und hastet die wenigen Meter zur Tür von Christas Zimmer hinüber. Die Tür ist geschlossen, Hubert drückt die Klinke hinunter ohne zu klopfen, das hat er in all den Jahren, die sie schon gemeinsam in diesem Haus wohnen, noch nie getan. Und richtig, Christa, die sich immer auf seine Feigheit verlassen konnte, hat nicht abgeschlossen.
Die Tür springt auf. Hubert erstarrt.
Am Boden kauert seine Schwester und drückt ein Handy ans Ohr. »Jetzt melden Sie sich doch endlich, Sie Feigling«, schnaubt Christa gerade, als sie ihn sieht. Dann wird sie blass. Leichenblass. Zu Recht. Denn das Handy ist nicht ihr eigenes. Hubert erkennt es sofort. Es ist das Handy seiner ermordeten Frau.
Donnerstag, 23. Juni, 15.32 Uhr,
Kriminalkommissariat Westerland
»Kaffee? Wasser?«
Bastian Kreuzer setzt sich Manfred Pabst gegenüber an den Vernehmungstisch.
»Nichts. Danke. Ich mache hier meine Aussage und dann bin ich froh, wenn ich wieder raus kann.«
»Wie Sie wollen.« Bastian Kreuzer stellt das Band an und nickt Sven Winterberg zu, der gerade den Raum betritt. »Setz dich Sven, wir fangen gerade an.«
Nachdem der Analytiker seine persönlichen Daten zu Protokoll gegeben hat, beginnt er gleich mit der Schilderung seiner nächtlichen Aktivitäten.
»Sie wundern sich vielleicht, aber ein Therapeut spürt es fast immer, wenn sein Patient die Unwahrheit sagt. Schwieriger ist es dann schon, herauszufinden, was genau wahr und was falsch ist. Bei meinen Gesprächen mit Hubert Mönchinger hatte ich von Anfang an das Gefühl, er übertreibe haltlos, wenn er die Attraktivität seiner Ehefrau beschrieb. Wahrscheinlich war es blöd von mir, da nachts aufzutauchen, um das endlich zu überprüfen, aber ich hatte den ganzen Abend über Mönchinger nachgedacht und mich einfach maßlos geärgert, weil wir in der Therapie nicht weiterkamen.«
»Wie spät war es, als Sie am Haus der Mönchingers geklingelt haben?«
»Kurz nach Mitternacht. So zwischen viertel und halb eins, würde ich sagen. Die Null-Uhr-Nachrichten waren schon durch, die von halb eins aber noch nicht gesendet, als ich den Wagen parkte.«
Sven Winterberg blättert hektisch in dem Vernehmungsprotokoll Christa Mönchingers, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Als er gefunden hat, wonach er sucht, nickt er knapp und murmelt: »Könnte hinkommen.«
»Weiter.« Bastians Stimme ist hart und fordernd, er weiß genau, dass er jetzt keine Schwäche zeigen darf, dass der Typ vor ihm nur dann reden wird, wenn er keine andere Chance sieht,
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