Männer unerwünscht (German Edition)
huldvoll zu winken, mein Gesicht erst mal aus den Ballen bergen musste.
An Haarerichten war nicht mehr zu denken, also musste ich einfach so vom Hänger klettern. Ich würde mein desolates Erscheinungsbild einfach mit einem kräftigen Händedruck wettmachen. Alt-Landwirte wünschen sich sowieso eine zupackende, an Stelle einer gestylten Frau für ihren Sohn.
Björn knallte die Kabinentür des Treckers dicht und warf mir einen flüchtigen Blick zu. „Willst du da oben übernachten?“ , rief er und marschierte Richtung Bauernhaus-Eingangstür.
Wollte ich nicht. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich unversehrt den Erdboden erreichen sollte. U n beholfen hielt ich mich an den Bändern fest, mit der die Presse vorhin die Ballen zusammengeschnürt hatte. Auf meinem Hintern rutschend entfernte ich mich von der Mitte. „Bis zur Kante vorrutschen“, befahl ich mir im Stillen und dabei kam mir eine Szenerie beim Facharzt für Frauenheilkunde in den Sinn. Doch statt die Beine in die Höhe zu strecken, versuchte ich, ihnen Halt beim Absteigen zu verschaffen. Ich hatte gerade einen Fuß sicher in eine Nische stecken können und war meinem Ziel dadurch schon um einiges näher g e kommen, da lösten sich plötzlich zwei Heuballen aus der obersten Schicht. Es waren ausgerechnet die zwei, deren Bänder meinen Händen hatten Halt geben sollen.
In Todesangst schrie ich um Hilfe. Die beiden Ballen purzelten haarscharf an mir vorbei auf die g e pflasterte Hoffläche. Wie ein Free-Climber hing ich seitlich an dem Stapel Winterfutter. Björn stürzte herbei.
„Halt dich fest, um Himmels willen, ich hole eine Leiter“, rief er erschrocken.
Sekunden später hatte er eine lange Aluleiter neben mich platziert, und ich brauchte nur noch ein bisschen Mut und Geschick, um sie zu erreichen und hinabzuklettern.
„Watt is'n datt für'n Radau?!“ , hörte ich eine männliche Stimme schimpfen.
„Ungeschickt lässt grüßen“, höhnte eine weibliche.
Schwer atmend klettere ich hinab. Als ich endlich festen Boden unter den Füßen hatte, war ich e r leichtert wie nie zuvor. Erschöpft fiel ich Björn, der sich unten gegen die Leiter gestemmt hatte, um den Hals. Dieser machte sich jedoch schnell von mir frei.
„Doris, das sind meine Eltern“, stellte er mich vor. Ich vermisste eine stolz geschwellte Brust oder seinen besitzergreifenden Arm um meine Schultern.
Mir gegenüber stand ein Paar Mitte Vierzig, kein bisschen gebückt und ohne Anzeichen von alter s bedingtem Zittern. Ich erblickte weder weiße Haare, noch einen Krückstock. Wie hatte ich nur annehmen können, dass Björns Eltern aussahen wie seine Urgroßeltern? Die beiden strotzten nur so vor Energie und Lebenskraft.
„Wennelken“, sagten sie im Chor. Björns Vater reichte mir seine Pranke und zerquetschte mir damit fast mein zartes Händchen. Er betrachtete mich einen Moment schweigend, als würde er auf dem Viehmarkt sein mögliches neues Betriebsinventar in Augenschein nehmen.
Björns Mutter hatte sich verflüchtigt. Sie stand wohl nicht so auf förmliche Begrüßungen. Wie ich richtig vermutet hatte, kam sie ihren Pflichten im bäuerlichen Haushalt nach. Als wir die große altmodische Küche betraten, stand sie am Herd und rührte in einem riesigen Kochtopf. Sie führte den Holzlöffel zum Mund, kostete mit gespitzten Lippen, und rührte dann weiter.
Die Küche war voller Fliegen. Sie saßen an den Deckenpaneelen, den Schranktüren und bevölke r ten den Tisch. Senior-Wennelken ließ sich auf der mit rotem Kunststoff bezogenen Eckbank nieder, nac h dem er die Sitzfläche von einem Stapel grüner Zeitschriften freigeräumt hatte. Björn geleitete mich ins a n grenzende Bad, wo wir uns einträchtig die Hände wuschen. Ich hätte gern einen Blick in den Spiegel gewo r fen, aber dieses Modell war blind. Neben dem Waschbecken rumpelte eine Waschmaschine vor sich hin; davor türmten sich bergeweise blaue Arbeitshosen und -jacken. Der herbe Duft von Landwirtschaft erfüllte den Raum.
In familiärer Runde wurde das Abendessen eingenommen. Vater Wennelken hatte kürzlich beim Preisskat eine große Dose Seelachs in Öl gewonnen und legte sich diesen zentimeterdick aufs Brot. Drei oder vier Fliegen hatten ebenfalls Appetit auf Fisch und traten gerade noch rechtzeitig die Flucht an, bevor die Delikatesse im Rachen des Bauern verschwand. Dessen Lippen glänzte n fett ig . Zwischen den Bissen stellte er mir unverfängliche Fragen und kommentierte meine jeweiligen Antworten.
Er
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